Schattenkrieg
lassen.«
»Bin schon unterwegs.« Calder wandte sich ab und kroch davon.
Deweydrydd sah ihn fragend an. »Warum soll er
hier
nach Spuren suchen? Der Schwarze Baum hat seinen Posten sicherlich auf der anderen Seite!«
»Wenn
ich
Rushai wäre«, erwiderte Derrien, »hätte ich auf
beiden
Seiten Posten.«
Der Waliser zog überrascht die Augenbrauen nach oben, sagte jedoch nichts. Stattdessen beobachteten sie schweigend das Dorf weiter, bis Calder nach ungefähr zehn Minuten wieder zurückkehrte.
Er hatte
tatsächlich
Spuren gefunden. Auf
zweien
der Gipfel auf dieser Seite des Dorfs. Wenn er auf der anderen Seite
auch noch
Leute hatte, grenzte das geradezu an Paranoia.
Mittlerweile war es später Vormittag geworden, wie sich Derrien am Sonnenstand vergewisserte. Sie hatten nicht viel Zeit, die Sonne ging so spät im Jahr bereits ungefähr um drei wieder unter. Alles musste gleichzeitig gehen.
»Deweydrydd, du bringst die Männer den Fjord entlang nach Süden, so wie du beschrieben hast. Bleibe im Schutz des Waldes und sieh zu, dass du nicht von den Gipfeln gesehen werden kannst. Südlich des Dorfs schickst du Calder auf Spurensuche und wartest,bis wir zurück sind. Murdoch, nimm dir drei deiner Männer und folge der Fährte zum westlichen Spähposten. Wenn du auf ihren Posten triffst, schaltest du ihn so leise wie möglich aus und folgst Deweydrydds Spuren so schnell du kannst.« Der Wolf war
gut
darin, Leuten die Kehle durchzuschneiden, bevor sie ihn bemerkten. »Ich selbst werde mich um den Posten im Osten kümmern.«
Murdoch grinste zahnlos. »Zurück zu den andern«, raunte er Calder zu.
Als er sich davonschleichen wollte, hielt ihn Derrien an der Schulter zurück. »Was ist?«, lispelte Murdoch.
»Pass gut auf den Jungen auf. Du weißt, wie wichtig er ist.«
»Weiß ich.« Damit kroch er Calder hinterher.
Derrien seufzte. Es war nicht gut, dass er so abhängig war von Calder. Aber er hatte keinen anderen Fährtensucher. Zumindest keinen, der Spuren auf so magische Art und Weise finden konnte wie Calder.
Menschen wie ihn, die einzelne Druidenkräfte besaßen, ohne Druiden zu sein, nannten die Kelten ein
Talent
. Ihnen fehlten typische Druideneigenschaften, und sie konnten weder durch Pforten treten noch ihre Wunden regenerieren. Sie waren
verwundbar
.
Derrien schickte jemanden zurück zu seiner Hauptstreitmacht, um seine drei besten Bogenschützen zu holen. Dann schlich er zu seinem Pferd und bereitete seine Ausrüstung vor.
Er begann mit dem Bogen. Wie die meisten Schützen transportierte er seinen Bogen ungespannt, wodurch die Waffe die Form eines geraden Stabes annahm. Dies erhielt die Spannung der Waffe, während ein ständig gespannter Bogen schließlich selbst ungespannt eine Bogenform annahm und kaum noch Kraft enthielt. Derrien hakte die Sehne in der unteren Einkerbung fest, stemmte den Bogen gegen einen Felsen und bog ihn dadurch, so dass er die Sehne mit der anderen Hand auch über das obere Ende ziehen konnte. Anschließend nahm er die Pfeiltasche und steckte die Pfeile aus seinem Köcher dort hinein. Köcher waren für eine Klettertour in den Bergen völlig ungeeignet, da die Pfeile darinnicht fixiert waren und ständig herausfielen. Eine Pfeiltasche enthielt eine mit Löchern versehene Scheibe, durch die die Pfeile hindurchgeschoben und am unteren Ende in einen Strohballen gesteckt wurden. So konnten sie nicht mehr herausfallen, außerdem schützten die von der Scheibe vorgegebenen Abstände die Befiederung der Pfeile. Als er damit fertig war, wartete er ungeduldig auf seine Männer.
Er
hasste
es, hier so viel Zeit verlieren zu müssen, wo jede Minute kostbar war. Je länger sie hier aufgehalten wurden, desto mehr Fomorer schafften es über den Fjord und schlüpften ihm durch die Finger.
Aber vielleicht hatte der Schwarze Baum genau deshalb den Gletscher überschritten, weil er den Ort kannte und wusste, dass er eine große Chance hatte, einen Verfolger rechtzeitig zu enttarnen. War es das? Derrien fluchte. Wenn er, anstatt Rushai über den Jostedal zu verfolgen, auf der anderen Seite des Gletschers nach Süden gezogen wäre, wäre er möglicherweise schon vor dem Feind am Fjord gewesen und hätte ihm einen bösen Empfang bereiten können …
Er seufzte und fragte sich, wie viel davon Rushai wohl geplant hatte. Der Schwarze Baum war zwar noch brutaler als Murdoch, zudem jedoch listig, listiger als Quintus, ja, listiger noch als Ryan. Derrien fragte sich, ob Rushai wohl sogar listiger
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