Schattenkrieg
dass die schwarz verfärbten Finger und Zehen langsam wieder eine rosige Farbe annahmen. Die Kälteblasen wurden kleiner und kleiner und verschmolzen schließlich mit der Haut des Schotten. Dannfiel es Baturix wie Schuppen von den Augen: Murdoch war ein Druide.
Ein Helvetier hatte einen Stapel Kleider herbeigetragen, in die er nun schlüpfte. »Ich könnte etwas Warmes im Magen vertragen!«, erklärte Murdoch, während er sich anzog.
»Darum kümmern«, befahl Salerix einem seiner Männer. Er wandte sich zu Murdoch. »Was ist passiert?«
»Wir sind angegriffen worden. Der Schwarze Baum hat uns einen Hinterhalt gelegt. Die Waldläufer sind zerschlagen.«
»Wo und wann?«
»In einem Tal auf der anderen Seite vom Lustrafjord, nahe einem großen See. Das war vor vier Tagen.« Der Mann spuckte beim Sprechen.
»Solvorn«, brummte Salerix. »Oder Hafslo.« Dann zogen sich plötzlich seine Augenbrauen zusammen. Seine Stimme klang misstrauisch, als er fragte: »Wie seid Ihr entkommen? Und warum bei den Geistern seid ihr
nackt
?«
»Wir waren Kundschafter und von der Hauptmacht abgetrennt, als der Hinterhalt kam. Der Weg nach Norden war versperrt, der Fjord stand unter Beobachtung.« Inzwischen schien der Schotte wieder vollständig von seinem Kälteleiden genesen zu sein. Seine Haut gab nicht einmal den kleinsten Hinweis darauf, von welch üblen Erfrierungen sie noch vor ein paar Momenten gezeichnet gewesen war. »In der ersten Nacht haben wir uns versteckt. In der zweiten sind wir hinunter zum Sognefjord gewandert. In der dritten haben wir ihn durchschwommen. Ich habe gehofft, dass wir dort ungesehen wären. Dann hätten wir auf der anderen Seite ein Lagerfeuer anzünden und uns aufwärmen können und dann hierhermarschieren können.« Murdoch gab einen zischenden Laut von sich, bevor er weitersprach: »Aber sie hatten
doch
Späher und sind uns hinterhergeschwommen. Ich habe einen Mann im Fjord gelassen, weil er zu langsam geschwommen war. Seitdem sind wir gelaufen, und dabei habe ich einen weiteren Mann verloren. Ich hätte auch ihn«, und er deutete auf den Turm, wo man seinenBegleiter inzwischen hingebracht hatte, »dort zurückgelassen, aber er ist ein Talent und zu wichtig. Die Nain waren uns die ganze Zeit auf den Fersen, bis vorhin, als euer Zauber losgegangen ist. Wenn sie auf dieser Seite auch Männer gehabt hätten …« Murdoch strich sich mit dem Zeigefinger quer über den Hals.
Baturix griff bei der Beschreibung instinktiv nach dem Dagda-Amulett um seinen Hals. Er versuchte, sich vorzustellen, wie sich dieser Mann fühlen musste, doch ihm war klar, dass es unvorstellbar war. Ein tagelanges Versteckspiel vor Fomorern und möglicherweise auch Schatten, die Fjorddurchquerung bei dieser Kälte, der endlose Marsch den Fjord entlang von einer blutgierigen Meute verfolgt …
Nein. Er konnte es sich nicht vorstellen.
»Wenn ihr schnell seid«, meinte Murdoch jetzt, »und wagt, bei Nacht zu reiten, könnt ihr unsere Verfolger vielleicht noch kriegen!« Der Schotte war müde und erschöpft, doch in seiner Stimme schwangen Bitterkeit und Hass mit. »Sie sind zu Fuß, tragen weder Rüstung noch schwere Waffen und sind müde.«
»Werden erfrieren«, erwiderte Salerix ruhig. »Kein Grund, meine Männer aufs Spiel zu setzen.«
»Sie sind nicht erfroren, seitdem sie mich verfolgen. Vielleicht hält sie ein Schatten mit seiner Magie am Leben?«
Salerix murmelte einen Fluch. »Wie viele waren es?«
»Vielleicht zwanzig Mann? Oder dreißig?
Der Dreiturm grübelte angestrengt. »Bei Sonnenaufgang werden wir zu spät sein«, meinte er schließlich.
»Wahrscheinlich.«
Salerix’ Blick ging ins Leere. Dann nickte er und brüllte: »Wir reiten sofort und so schnell wie möglich! Ribaldus, die Hunde! Reiter, zu den Pferden! Ihr auch, Murdoch!«
Murdochs Kopf zuckte überrascht hoch. Für einen Moment dachte Baturix, der Schotte würde sich gegen den Befehl wehren, doch dann nickte der fremde Druide. »Ich werde ein Schwert brauchen.«
Baturix folgte den Männern hastig zu den Ställen – es kam ihm nicht in den Sinn, sich von Salerix’ Befehl auszunehmen. Er gehörte jetzt zur Südwacht; außerdem hatte er sein Reitpferd Vitellius mitgebracht, und so fühlte er, dass Salerix’ Befehl auch ihm galt. Hastig sattelte er den braunen Wallach und führte ihn zum Tor. Dort wartete bereits ein Mann mit Salerix’ Banner – drei Türme auf gelbem Grund.
Salerix winkte ab. »Brauchen wir nicht«, brummte er, »wüsste
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