Schattenkrieg
Mauer erschienen. Doch schon ein paar Meter hinter der Mauer herrschte finsterste Nacht.
Angsterfüllt dachte Baturix an Markus. Dies musste seine letzte Turmwache sein, morgen würden er und seine Gefährten abgelöst werden und zurück nach Lykkesella marschieren. Er stellte sich vor, wie er sich nun aus den Fellen schälte und hastig in die Lederrüstung schlüpfte, während die Männer auf dem Dach durch die Luke hasteten und sie über sich verschlossen. Waren sie leichtsinnig gewesen und mussten nun in panischer Angst die Leiter einholen? Markus war ein vorsichtiger Junge, doch Baturix fragte sich, wie es um seine Gefährten bestellt war.
Das Kastell verfiel innerhalb weniger Augenblicke in hektische Aktivität. Salerix’ Hauptmänner tauchten auf und brüllten Befehle. Die Männer auf den Palisaden schlüpften hastig in ihre Lederrüstungen und schnallten ihre Waffengurte fester. Aus den Hütten des Weilers strömte Bauernvolk und machte sich daran, sein Vieh aus den Ställen zu treiben. Das Tor wurde geöffnet und ließ sie herein. Währenddessen eilten andere Männer nach draußen in die Dunkelheit, wo sie mit ihren Fackeln die Holzstöße anzündeten, die in fünfzig Schritten Entfernung um das Kastell herum bereitgestellt waren. Das Gebell der Hunde wurde schärfer, als sie von der allgemeinen Aufregung angesteckt wurden. Baturix starrte grimmig in die Dunkelheit. Er hatte Hunde noch nie ausstehen können.
Die ganze Aufregung dauerte vielleicht fünfzehn Minuten.Dann beruhigte sich der Tumult. Übrig blieben Säuglingsgeschrei, das Muhen von Kühen und vereinzeltes Hundegebell. Einer von Salerix’ Männern stand in der Mitte des Platzes und versuchte, Frauen, Kinder und Vieh gleichermaßen aus der Kälte und in die Gebäude zu bekommen. Ein anderer verteilte Waffen und Lederrüstungen an die männlichen Dorfbewohner.
Baturix hörte jemanden die Leiter heraufsteigen. Als sich die Person aufrichtete und er ihre hünenhaften Konturen sah, erkannte er Salerix.
»Etwas gesehen?«, fragte der Druide.
Im Schein der Fackel bemerkte Baturix den unsicheren Blick seines Jungen. »Sag, was du mir gesagt hast!«, ermutigte er ihn, also erzählte Gaius von der kurzen Lichterscheinung.
Salerix rieb den wild wuchernden Vollbart an seinem Kinn, während er grübelte. Schließlich murmelte er: »Klingt nach den Schutzzaubern, ist lange her. Haben dieses Mal wohl funktioniert.«
»Heißt das«, fragte Gaius, »dass dieses Mal besonders viele kommen?«
»Hoffe ich nicht, Junge. Ich hoffe nicht. Kannst du umgehen damit?« Der Druide deutete auf Gaius’ Armbrust.
»Äh … es geht ganz gut, Herr.«
»Dann bleibst du hier oben. Baturix, komm mit.« Er stieg wieder auf die Leiter und schüttelte den Kopf. »Mitten in der Nacht«, beschwerte er sich, als er in der Luke verschwand. »Wie sollen unsere Bolzen da treffen, wenn wir sie nicht sehen!«
Baturix klopfte seinem Sohn auf die Schulter, nahm ihn dann fest in den Arm. »Pass gut auf dich auf, mein Junge!«, murmelte er, bevor er dem Druiden folgte.
Vor den Schießscharten in den oberen Kammern saßen inzwischen Schützen mit griffbereiten Armbrüsten und starrten auf die Linie, die von den brennenden Holzstößen gebildet wurde.
In der Basis des Turms arbeiteten mehrere Frauen an dem Brunnen, in seinem Fundament. Draußen sah er Männer beten oder sich ein letztes Mal an den Palisaden erleichtern und stellte fest,dass er selbst gerne beides täte. Die meisten der Jungen, die Baturix mitgebracht hatte, standen auf den Palisaden, steif vor Angst, die Blicke starr nach Südwesten gerichtet.
»Was soll ich denn mit diesem Haufen Kindern anstellen?«, murrte Salerix währenddessen. »Fallen doch alle vor Schreck von den Palisaden, wenn der erste Pfeil angeflogen kommt.«
Seine Männer nannten ihn zwar den Dreiturm, doch auf Baturix wirkte er mehr wie ein Bär mit seinen zotteligen langen Haaren und seiner behäbigen, langsamen und dennoch kraftvollen Art, sich zu bewegen. Sogar seine Sprechweise klang ein bisschen nach Bär.
»Steig du hoch«, brummte der Druide. »Versuch, die Kinder zu beruhigen.« Damit bog er ab in Richtung der Latrinen.
Der Mann hat Nerven …
Kopfschüttelnd kletterte Baturix auf die hölzerne Kampfplattform des Walls, ohne recht zu wissen, was er nun tun sollte. Er sprach mit ein paar wenigen, doch schließlich befiel auch ihn die Anspannung, die das Warten mit sich brachte. Bald herrschte bleierne Stille. Ab und zu gingen ein paar
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