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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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Frauen herum und teilten gefüllte Wasserschläuche aus.
    Doch nach einer geschlagenen Stunde war noch immer nichts passiert. Die Feuer, die das Feld vor dem Kastell erhellen sollten, brannten nieder, doch ihr flackernder Schein beleuchtete nichts als Schnee und Fels. Salerix ließ das Tor öffnen und schickte Männer mit Schilden und Rucksäcken voller Holz auf dem Rücken nach draußen, um die Feuer zu schüren. Als sie zurück waren, ließ er die Frauen Proviant austeilen, worauf sich die Anspannung etwas löste. Dennoch blieben die Blicke der Männer auf dem Wall angestrengt nach Süden gerichtet. Jeder hatte Angst vor dem Moment, an dem der Feind dort auftauchen würde, spekulierte darüber,
wie viele
es wohl waren …
    In diesem Moment hallte eine fremde Stimme durch die Nacht: »Nicht schießen!«
    Der Schreck über den plötzlichen Ruf saß tief. Zwei Armbrustsehnenvibrierten, als sie ihre Bolzen in die Dunkelheit verschossen, und für einen Moment herrschte aufgeregtes Gemurmel. »RUHE!«, brüllte Salerix schließlich.
    In der Stille hörten sie noch einmal den Ruf. »Nicht schießen! Wir sind Kelten! Schotten! Vom Clan der MacRoberts! Wir kommen jetzt zu euch! Wir sind zu zweit! Nicht schießen!« Das Helvetisch war schrecklich entstellt, es erforderte vollste Konzentration, überhaupt etwas zu verstehen. Der Akzent klang nach Inselkelten, aber das ›s‹ war stark gelispelt und entstellte die Sprache noch weiter.
    »Armbrüste bereit«, brummte Salerix.
    Der Mann neben ihm – Antonius, der Kommandant des Kastells – gab den Befehl weiter. »Armbrüste bereit!«
    Die, deren Waffen noch nicht geladen waren, holten dies nach. Auch Baturix gehörte zu ihnen. Kraftvoll zog er den Hebel seiner Armbrust nach unten, bis die Sehne am Haken einschnappte, und legte einen Bolzen auf die Schiene. Würde er nun an dem unter dem Griff angebrachten Abzug ziehen, verschwand der Haken in der Schiene, die Sehne schnurrte nach vorne und riss den Bolzen mit sich.
    Salerix murmelte: »Ziehe jedem das Fell über die Ohren, der ohne Kommando schießt.«
    »Keiner schießt ohne Kommando!«, übersetzte der Kommandant lauter.
    Irgendwo rief jemand: »Ich sehe einen! Dort, auf dem Feld!«
    Kurz darauf sah auch Baturix einen dunklen Schemen, der sich dem Feuerschein eines Holzstoßes näherte, ein unförmiges Ding, das auf ihn wirkte wie der Minotaur aus alten Geschichten. Eine weitere Armbrust summte und spuckte einen Bolzen hinter die Gestalt.
    »NICHT SCHIESSEN!«, brüllte Salerix. Wut klang in seiner Stimme mit.
    Das Ding hatte kurz innegehalten, kam aber jetzt wieder näher. Erst als es direkt hinter dem Feuer stand, erkannte Baturix, dass estatsächlich ein Mensch war, ein Mann, der einen zweiten auf den Schultern trug. Beides waren kräftige Kerle, mit wilden Bärten und den für Schotten typischen Schläfenzöpfen – und trotz der bitteren Kälte splitternackt! Außer den Dolchen an ihren Gürteln trugen sie weder Kleider noch Waffen oder Ausrüstung.
    Auf den Palisaden entstand Gemurmel – Mitleid mischte sich zu Überraschung und Misstrauen.
    »Wer seid ihr?«, fragte Antonius.
    »Mein Name ist Murdoch MacRoberts.« Seine Sprache klang verwaschen, ganz so, als ob er keinen einzigen Zahn mehr im Mund hätte. »Wir sind Waldläufer und halb erfroren! Bei Morrigan und Dagda, macht das Tor auf und helft mir!«
    Salerix meldete sich selbst zu Wort: »Kenne den Mann. Das Tor öffnen!«
    Während das Tor laut knarrend nach innen schwang, sah Baturix Salerix die Palisade hinabklettern und beschloss, sich selbst anzuhören, was der Fremde zu sagen hatte.
    Unten angekommen, wurde das Tor bereits wieder geschlossen. Zwei Helvetier hatten den Gefährten Murdochs inzwischen von seinen Schultern geladen und legten ihn auf eine hölzerne Trage. Der Mann sah erbärmlich aus, seine Finger und Zehen, Ohren und Nasenspitze waren erfroren und schwarz, der Rest seiner Haut blau und von dicken Wasserblasen übersät. Er schien tot, doch Salerix’ Worte widersprachen Baturix’ Vermutung: »Legt ihn in ein Bett, zusammen mit zwei Frauen. Muss aufgewärmt werden, aber langsam.« Der andere, dieser Murdoch, schien die Kälte weitaus besser überstanden zu haben: Sein Bewusstsein war klar, seine Augen funkelten lebhaft, seine Haut war zwar blass, wies aber weitaus weniger Kälteblasen und noch weniger Erfrierungen auf. Er hatte sich an das Feuer im Hof gestellt, wo er sich aufwärmte.
    Baturix traute seinen Augen kaum, als er feststellte,

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