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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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Garage, in der wohl landwirtschaftliche Fahrzeuge untergebracht waren (groß genug, um zwei oder drei der Bauernhütten aufzunehmen); und die örtliche Moschee (also
doch
Albaner!). Veronika fiel die Vorstellung schwer, in solch ärmlichen Verhältnissen leben zu müssen. Sie fröstelte, als sie an die zugigen Hütten dachte, und verkroch sich tiefer in ihrem Sitz.
    Die drei Dingos teilten sich auf und bogen in Seitenstraßen ab. Kreis schloss zu dem Schützenpanzer auf, der auf der Hauptstraße blieb, und ging dann vom Gas.
    »Nicht gerade ein Zuckerschlecken, hier zu leben«, kommentierte er. »Unglaublich, dass wir hier noch in Europa sind.«
    »Armut gibt es in Deutschland auch«, meinte Veronika. Sie entstammte selbst einem armen Elternhaus und hatte erlebt, was das bedeutete. Drei lange Jahre lang hatte sie nach ihrem Schulabschluss bei ihren Eltern gewohnt, auf der vergeblichen Suche nach einem Job, bis sie schließlich verzweifelt genug gewesen war, sich bei der Bundeswehr zu bewerben. Hätte sie weniger gezögert, wenn sie gewusst hätte, dass sie bei den Fallschirmjägern landen würde? Wie ihr Großvater? Sie berührte kurz das Amulett um ihren Hals, als sie an ihn dachte, und schnitt eine kurze Grimasse. Hätte sie gewusst, was auf sie zukam, wäre sie wahrscheinlich lieber arbeitslos geblieben …
    »Na ja«, meinte Kreis. »In Berlin oder Hamburg in den Vierteln,in denen die ganzen Illegalen aus Polen und Russland leben, ist es vielleicht so ähnlich. Aber ansonsten kann man das doch kaum vergleichen. Meine –«
    Veronika hörte nicht mehr zu. Ihr Herz hatte plötzlich zu klopfen begonnen, ein kalter Schauer lief ihren Rücken hinunter. Ihr Sinn für Gefahren hatte sich aktiviert.
    »Sch!«, unterbrach sie Kreis. »Irgendetwas stimmt nicht!« Hastig griff sie nach dem Sprechgerät, um ihre Männer zu warnen.
    Doch sie kam nicht mehr dazu. Tönnes’ Stimme ging im lauten Rauschen des Funkgeräts fast unter:
    »####Leutnant für Tön###!«
    Veronika drückte die Sprechtaste. »Höre.«
    »#Wir ############# Jungen angefah#######auchen Hilfe!#«
    Veronika spürte, wie sie blass wurde. »Wiederholen Sie!«
    »#Wir haben ei#########ngen angefahren! Wir brauchen dr######lfe!#«
    Veronika schlug die Arme über dem Kopf zusammen, sank verzweifelt in ihren Sitz, den Blick nach oben gewandt.
Auch das noch …
    Veronika versuchte, sich zu beruhigen. Sie atmete dreimal tief ein und aus, bevor sie erneut die Sprechtaste drückte. »An alle Fahrzeugführer: Zug trifft sich bei Tönnes. Und beeilen Sie sich!« Zu Kreis gewandt, fügte sie hinzu: »Geben Sie Gas!«
    Der Gefreite stieg auf das Gaspedal. Der Wolf jagte durch holprige Seitenstraßen, während Veronika zähneknirschend versuchte, nicht an die Folgen eines Unfalls zu denken, wie ihn Tönnes gemeldet hatte. Doch sie schaffte es nicht, die Bilder zu verdrängen, die sich ihr aufdrängten. Wenn die Deutschen hier einen Jungen überfuhren, dann würde die Rache kaum auf sich warten lassen – hart und erbarmungslos.
    An einer T-Kreuzung sahen sie den Dingo. Die Scheinwerfer des Fahrzeugs beleuchteten zwei am Boden knieende Soldaten. Ein weiterer versuchte, eine einheimisch gekleidete Frau davonabzuhalten, zu ihrem Jungen zu laufen. Ein Mann in mittleren Jahren stand direkt daneben, mit hochrotem Gesicht und hochgekrempelten Ärmeln. Er schrie auf einen Soldaten ein, der ihn mit dem Gewehr bedrohte. In den Haustüren der umliegenden Hütten standen Leute. Der MG-Schütze auf dem Dach des Dingos blickte hastig hin und her im Versuch, alles gleichzeitig im Auge zu behalten. Der Situation fehlte nur ein kleiner Funken …
    Kreis bremste hart. Der Dolmetscher schimpfte schlaftrunken. Veronika schlug ihm mit der flachen Hand auf den Bauch und herrschte ihn an: »Verdammt, Milanković, hoch mit Ihnen!« Nachdem sie erkannt hatte, dass sie nicht auf den Mann warten konnte, stieg sie aus und überließ es Kreis, sich um den Dolmetscher zu kümmern. Sie lief zur Unfallstelle.
    Neben den Soldaten stand eine offene Sanitätstasche, daneben waren mehrere Mullbinden verstreut. Zwei Meter weiter lag ein Beatmungsbeutel. Im Schnee leuchteten Blutspritzer. Einer der beiden Soldaten war tief nach unten gebeugt und beatmete den Verletzten.
    Veronika lief um den Mann herum. Eine eisige Hand schien nach ihrem Herz zu greifen, als sie sah, dass der Junge noch ein Kind war, nicht älter als acht oder neun Jahre. Auf seiner Stirn klebten mehrere blutgetränkte Kompressen. Der zweite

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