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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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sich ab. Sein Bruder wartete.
    Die Fischerstadt war still, beinahe
zu
still. Nirgendwo waren mehr Stimmen zu hören, obwohl mehr Lichter brannten als sonst üblich. In Nächten wie dieser schlief man entweder den Schlaf der Gerechten, wenn man zu Tode erschöpft nach Hause gekehrt war, oder man wartete in bedrücktem Schweigen auf die Rückkehr der Liebsten. Selbst in der Herberge, sonst immer ein Ort von Musik und Tanz, rührte sich nichts.
    Ronan ließ die Fischerhütten hinter sich und passierte das reichereViertel der Handwerker. Es war Häuptling Nerins Verdienst, dass in Kêr Bagbeg die wichtigsten Berufe ansässig waren, und so passierte Ronan auf seinem Weg die Langhäuser mehrerer Bootsbauer, die Hütte eines Segelmachers, das Steingebäude eines Waffenschmieds, das Langhaus zweier Bogenbauer und schließlich die Halle der Brauerei. Gerber besaßen ihre Gruben im Norden der Stadt, die Seilerbahn befand sich im Osten. Dennoch gab es genug, was die Stadt nicht hatte und von Nerins Handelsschiffen in die Stadt gebracht werden musste: Flachs oder Tuch aus dem Jütland, Eisenbarren aus Nordnorwegen, Silber aus Schweden, Pelze aus dem Baltikum, und alle wollten das Gleiche von den Bretonen aus Kêr Bagbeg: Fisch. Zwar verschiffte Nerin auch die graue, übel stinkende Ambra aus dem Gedärm geschlachteter Wale oder den ein oder anderen zur Verbannung Verurteilten, doch hauptsächlich war es der Fisch aus den so fischreichen Gewässern der norwegischen Schären und Fjorde.
    Die, die das Phantom nun bedroht.
    Schließlich gelangte Ronan zu den im südöstlichen Teil der Stadt gelegenen Bauernhäusern. Die Bauern des Kêrs ernährten sich von den kargen Erträgen, welche die norwegischen Böden lieferten, und waren meist noch ärmer als die Fischer. Die Gebäude hier waren deshalb kleine Rundhäuser, aus Lehm und Weidengeflecht errichtet, in denen meist eine Sippe mitsamt ihren Leibeigenen und ihrem Vieh zusammenlebte. Nichts regte sich, als Ronan vorüberging. Er war ein Tierherr. Die Tiere der Stadt kannten seinen Geruch und ersparten ihm Gebell und Geschnatter.
    Derriens Hütte war ein besonders kleines Rundhaus. Er bewohnte es nur selten, wenn es ihn einmal in die Stadt verschlug, und dann auch nur für kurze Zeit. Aufgrund seines Status als Druidenfürst und Held der Trollstigenschlacht würde ihm eigentlich eine Halle zustehen, so groß wie die Ronans, doch Derrien zog die Hütte am Stadtrand vor, von wo er sich jederzeit in die Nacht davonstehlen konnte. Seit seinem letzten Besuch vor ein paar Monden hatte sich offenbar niemand mehr darum gekümmert:Die Wände der Hütte waren schräg und baufällig, dem Strohdach entströmte der süßliche Geruch nach Fäulnis. Ronan verzog das Gesicht und klopfte widerwillig an.
    »Herein!«, rief Derriens Stimme.
    Innen bestand die Hütte nur aus einem einzigen Raum. In der Mitte lag eine Feuerstelle, über deren Flammen ein großer, nach Met riechender Kessel hing. Links davon stand eine hölzerne Truhe, während sich rechts ein Tisch mit zwei Stühlen befand. Das Lager aus schimmelndem Stroh befand sich gegenüber dem Feuer auf der Rückseite der Hütte. Sein Bruder hatte eine Lederplane darübergebettet und schien sich nicht daran zu stören.
    Derrien rollte sich vom Lager. »Da bist du ja endlich«, meinte er.
    Ronan zuckte mit den Schultern. »Ich bin sofort losgegangen. Wenn es nach meiner Frau gegangen wäre, wäre ich erst morgen gekommen!«
    »Natürlich.«
    Sie musterten sich. Derrien hatte sich kaum verändert seit ihrer letzten Begegnung. Sein glatt rasiertes Gesicht war wettergegerbt und kantig, zu der kleinen Narbe rechts vor dem Ohr war in der Zwischenzeit keine neue hinzugekommen. Augenringe, die Ronan auch von sich selbst kannte, warfen dunkle Schatten unter die braunen Augen der Familie. Derriens braune Locken fielen ihm ungebändigt auf die Schultern, noch immer ohne die grauen Schlieren, die Ronans Haar bereits seit fünfzehn Jahren durchsetzten. Sein Körper, etwas kleiner als Ronans eigener, war weiterhin athletisch und kraftvoll. Gekleidet war er in eine lederne Hose und ein wollenes Hemd. Er sah gut aus für einen Mann von fünfundvierzig Jahren.
    »Du hast dich nicht verändert«, meinte Derrien in ernstem Tonfall.
    »Du auch nicht. Schön, dich mal wieder zu sehen.«
    »Ja …«
    Sie umarmten sich kurz. Dann ging Derrien zum Tisch. »Met?«
    Ronan nickte.
    Derrien schöpfte aus dem Kessel zwei Becher und reichte ihm einen davon. »Wie geht es Ergad

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