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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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komplizierter – einfache Fälle wurden üblicherweise vor Ort gelöst. Streitigkeiten unter Leibeigenen schlichteten ihre freien Herren, bei Zwist unter den Freien die örtlichen Ältesten, ein ansässiger Druide oder einer von Ronans Hauptmännern. In allen drei Fällen war dies nicht möglich.
    Er seufzte. Der Streit zwischen Meogon und Fagan war alt. Keiner wusste mehr, wie er entstanden war, Tatsache war jedenfalls, dass sich die beiden Unterführer spinnefeind waren. Er diskutierte mit den beiden, stellte jedoch schnell fest, dass ohne eine Aussage des Bauern, von dem das Holz stammte, kein Urteil gefällt werden konnte. Er wandte sich zu dem Fischer, der von Nerin bestraft worden war. Er lauschte geduldig, was der Mann zu sagen hatte, und versprach ihm, mit dem Häuptling darüber zu sprechen. Als Letztes wandte er sich dem Mann zu, dessen Tochter vom Leibeigenen des Nachbarn belästigt worden war. Im Grunde wäre der Fall nichts für Ronan, da das Wort des Freien mehr galt als das des Unfreien, doch der Herr des Leibeigenen verteidigte ihn, weshalb sie zu Ronan gekommen waren.
    Er war gerade dabei, den Fall an seinen Hauptmann Luner zudelegieren, als Maela wieder bei ihm auftauchte. Ihr fröhlicher Gesichtsausdruck war einer finsteren Miene gewichen. »Wartet!«, meinte Ronan zu seinen Gefolgsleuten, dann stand er auf und trat mit seiner Frau zwei Schritte vom Tisch weg.
    »Dein Bruder ist hier«, erklärte sie ihm ohne Umschweife. »Er will dich sprechen.«
    Ronan zwinkerte verwirrt. »Mein Bruder? Hier?«
    »Ich habe ihm ausrichten lassen, dass du deine Gefolgsleute versammelt hast und er bis morgen warten soll, aber das hat ihn nicht interessiert.« Ihr Tonfall konnte Meerwasser zu Eis gefrieren lassen.
    Maela und Derrien hatten sich noch nie leiden können. Seine Frau hielt Ronans zwei Jahre jüngeren Bruder für einen Tunichtgut, der sich vor den Verpflichtungen als Druide drückte und nur nach Kêr Bagbeg zurückkehrte, um schlechte Neuigkeiten zu überbringen. Derrien mochte Maela nicht, weil er glaubte, dass sie Ronan schlecht beriet. Beide besaßen ein Temperament, das aus solchen Lappalien eine lebenslange Feindschaft gemacht hatte. Dieser Streit war der Grund, warum Derrien seit Jahren keinen Fuß mehr in Ronans Halle gesetzt hatte.
    Sie muss kochen vor Wut, dass er sich so über ihren Einwand hinweggesetzt hat!
    Doch was half es? Derrien brachte meistens wichtige Neuigkeiten.
Schlechte
wichtige Neuigkeiten.
    Müde erhob Ronan sich. »Du weißt, wie es ist«, entschuldigte er sich bei seiner Frau.
    Zorn funkelte in Maelas Augen. »Er bringt nur Schwierigkeiten!«
    Ich weiß,
dachte er traurig. Er entschuldigte sich kurz bei der Versammlung und eilte nach draußen.
    Der Abend war mittlerweile weit fortgeschritten. Die Sturmwolken hatten sich inzwischen restlos verzogen. Dünne Rauchsäulen quollen durch die Strohdächer der Stadt und stiegen in einen sternklaren Nachthimmel auf. Das Meer war ruhig, sogar für die Verhältnisse hier in Bagbeg, die Brandung leise und friedlich.
    Ronan blieb am Hafen stehen. Das Schaukeln der Fischerkähne an den Stegen war auf dem glatten Wasser kaum wahrzunehmen. Ronan zählte sie ein weiteres Mal durch, nur um festzustellen, dass weiterhin elf Boote fehlten. Wie sein eigener Kahn waren es kleine Gefährte, nicht mehr als zehn Schritte lang, mit einem einzelnen Mast, an dessen horizontal befestigter Rahe das Segel aufgerollt war. Die tiefer im Hafen vor Anker liegenden Handelsschiffe waren, bis auf ihre Größe, beinahe exakte Kopien davon. Diese waren vollzählig, die Händler des Häuptlings hatten das Glück gehabt, kein Schiff auf hoher See zu haben, als der Sturm losgebrochen war.
    Das Plätschern von Rudern ließ Ronan aufblicken. Ein einzelnes kleines Boot, das Segel an der Rah befestigt, schob sich mit langsamem Ruderschlag an den Stegen entlang.
    Ronan hob die Hände zum Mund und rief: »Wer fährt dort?«
    Das Boot hielt mit dem Ruderschlag inne, und eine dunkle Silhouette erhob sich. »Das ist Neals Boot!« Es war jedoch nicht Neals Stimme, ein alter, weiser Fischer, der in Fagans Halle einen Ehrenplatz besaß.
    »Was ist mit Neal selbst?«, fragte Ronan deshalb.
    Die Pause zog sich etwas. »Er ging über Bord, gestern Abend schon, im Kjerringsund.«
    Ronan nickte, die Lippen zusammengepresst. Er hatte Neal gut gekannt, in seiner Jugend war er selbst ein paar Mal auf seinem Boot gefahren. »Willkommen zu Hause«, brachte er schließlich hervor und wandte

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