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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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hin zu den allerstärksten, mit denen er direkt den Willen eines Mannes herumbiegen konnte – er hatte gerade mit eigenen Augen gesehen, was mit Dempsey geschehen war. Der Ire hatte noch jetzt einen merkwürdig stierenden Blick, mit dem er den Tisch vor sich beglotzte. Konnte es wahr sein? Es
musste
wahr sein! Das Volk der Bretonen besaß fast dreitausend Mann im wehrfähigen Alter, und wie Ronan wusste, waren die Iren mindestens genauso stark. Fünfhundert Mann zu entbehren sollte Dempsey möglich sein, wenn ihm so viel daran lag, dass Ryan neuer Anführer der Waldläufer wurde.
    Ein weiterer Gedanke ließ Ronan das Blut in den Adern gefrieren: War er der
Einzige
, der es bemerkt hatte? An den Gesichtern der anderen Fürsten war nicht zu erkennen, dass ihnen etwas aufgefallen wäre.
    Er realisierte, dass er noch immer dastand. Verspätet setzte er sich in Bewegung zu seinem Platz am Kopfende der Tafel. Dabei hielt er die Augen von Casey starr abgewendet. Julius hatte ihm erklärt, dass viele Druiden Blickkontakt benötigten, um ihre Kräfte zu wirken.
    Während er sich setzte und seinen Bierkrug fixierte, spürte er die Blicke, mit denen ihn Casey zu durchbohren suchte. Sein Herz pochte schnell. Konnte jemand wissen, wie der Mann reagieren würde, sollte er herausfinden, dass ihn Ronan durchschaut hatte?

KEELIN
     
    Dùn Robert am Trondheimfjord, Norwegen
    Donnerstag, 07. Januar 1999
    Die Innenwelt
     
     
    Die Reise von Schottland nach Norwegen war zwar lang, aber ereignislos gewesen. Sie waren mit dem Bus von Inverness nach Edinburgh gefahren, dann nach Oslo geflogen und von dort aus weiter nach Trondheim, die Außenweltstadt, die sich an der gleichen Stelle wie Dùn Robert befand. Keelin war das erste Mal geflogen und hatte festgestellt, dass es nichts Besonderes war. Sie hatte den Platz am Fenster gehabt, doch bei beiden Flügen war es stark bewölkt gewesen, so dass es kaum etwas zu sehen gegeben hatte. Trotz ihrer Aufregung zu Beginn der Reise hatte sie das meiste verschlafen. Das Leben in der Innenwelt war anstrengend, und Keelins Körper bereit, sich den fehlenden Schlaf zu holen, wann immer er die Gelegenheit dazu bekam.
    Sie hatte während des Fluges noch nicht einmal schlecht geträumt.
    Am Flughafen waren sie von einem Sympathisanten der Kelten abgeholt und in die Hügel nach Westen gefahren worden, wo sich der heilige Hain befand. Dort waren sie in ihre Innenweltkleider geschlüpft und in die Innenwelt gewechselt, wo sie auf ein paar wartende Schotten getroffen waren, welche die Aufgabe hatten, die ankommenden Fürsten mit Pferden auszustatten. In Dùn Robert gaben sie ihre Pferde in die Obhut eines Stallburschen am Fuße des Burghügels und wanderten nun einen geschotterten Karrenweg entlang den Hügel hinauf, wo eine große graue Burg thronte.
    Häuptling Grear ging voraus. Mit seinen ein Meter achtzig Körpergröße,den breiten Schultern und dem athletischen Körper war der Schotte eine beeindruckende Gestalt. Seine wilden langen Haare, die beiden Schläfenzöpfe und der ebenfalls zu einem Zopf geflochtene, bauchlange Vollbart machten ihn in Keelins Vorstellung zu einem barbarischen Berserkerkrieger aus irgendeinem schlechten Film. Der Häuptling trug einen langen Kettenpanzer, der von den Stiefelschäften bis zu den Handgelenken reichte, darüber den hellen, blau-grün gemusterten Großtartan der Mackenzies und sein Druidenschwert.
    Keelin selbst war völlig anders gekleidet. Rowena hatte ihr erzählt, dass viele norwegische Ratsdruiden eitel geworden waren und edlere Gewänder bevorzugten, und hatte deshalb darauf bestanden, dass auch Keelin zu diesem Anlass bessere Kleidung trug. Sie hatte sie in ein grüngefärbtes, enges Kleid gesteckt, mit einer Keilerbrosche, die ihren Umhang zusammenhielt. Sie hasste es schon jetzt.
    Brynndrech, der junge Druide, der als »Missgeburt« von seiner walisischen Heimat verstoßen worden war, ähnelte in gewisser Weise Grear. Er war ebenfalls muskulös und wäre mit Sicherheit noch größer als der Häuptling selbst, wenn ihm sein Geburtsfehler nicht einen Buckel beschert hätte. Um Keelin zu überragen, reichte es dennoch. Seinem Kopfhaar fehlten jedoch die bei den Schotten üblichen Schläfenzöpfe, es war verfilzt und zu etwas verklumpt, das Keelin aus der Außenwelt als Dreadlocks kannte. Auch sein Vollbart ließ keinerlei Pflege erkennen. Wo Grears Züge jedoch Selbstbewusstsein und Entschlossenheit ausdrückten, wirkte Brynndrech verkrampft und unsicher.

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