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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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Er trug eine alte braune Lederhose, ein helles Leinenhemd und einen Fellumhang.
    »Ich habe in der Innenwelt noch nie eine so große Festung gesehen«, meinte Keelin zu Brynndrech gewandt. Sie hatte sehr bald nach ihrer Abreise festgestellt, dass der Waliser noch weniger sprach als sie selbst, solange er nicht dazu aufgefordert wurde. Dann aber blühte er manchmal richtig auf, wenn man das passende Thema anschnitt.
    Brynndrech zuckte mit den Schultern.
»Zu groß«
, brummelte er in seinen Bart.
    »Bitte?«, fragte sie überrascht. »Warum das denn?«
    »Sie ist zu groß für uns. Es gehört nicht zu unserer Kultur, eine so große Burg zu bauen!«
    Aha
, wunderte sie sich.
    »Mit der Stadt«, fuhr der Waliser fort, »ist es genau das Gleiche. Fachwerkhäuser … Früher hätten Kelten so nicht gebaut.« Geräuschvoll zog er den Rotz in der Nase hoch und spuckte auf den Boden. »Das ist der Einfluss der Außenwelt. Sie verändert uns.«
    Keelin blickte zurück auf Dùn Robert hinab und überlegte, wie viele Menschen hier wohl leben mochten. Waren es fünftausend? Oder gar zehn? Verglichen mit Trondheim in der Außenwelt war Dùn Robert geradezu lächerlich klein. Sie erinnerte sich, dass Brynndrech ein Innenweltler war, und fragte: »Hast du schon
viele
Außenwelt-Städte gesehen?«
    »Nein. Aber das, was ich gestern von Edinburgh gesehen habe, hat mir gereicht. Es war grauenvoll!«
    »Jedenfalls kann man diese Burg hier besser verteidigen als das Glen Affric.«
    »Unsere Magie beschützt uns in Glen Affric. Alte Magie. Zauber, die schon seit Jahrtausenden über dem Land liegen, und Geister, die unserem Stamm treu ergeben sind. Die Schutzzauber
hier
gibt es erst seit fünfzig Jahren.«
    »Ja«, erwiderte Keelin zögerlich. »Aber die Germanen hatten doch wohl ebenfalls uralte Zauber, oder nicht? Und trotzdem haben sie diese Burg errichtet.«
    »Die Germanen haben ihre eigene Kultur gehabt. Wir haben unsere. Große Monster-Burgen gehören nicht dazu.«
    Keelin fuhr sich nachdenklich über die Stoppeln auf ihrem Kopf. In Schottlands Außenwelt gab es Unmengen von Burgen und Festungen, viele davon von stattlichen Ausmaßen. Entstammten diese Bauten alle einer späteren Zeit? Sie wusste es nicht.
    Brynndrech wandte sich nun zu ihr, das erste Mal in diesem Gespräch, dass er sie direkt ansah: »Die Welt verändert sich.« In seiner Stimme klang unendliche Traurigkeit mit. »Es geschehen zu viele Dinge, auf die wir Druiden keinen Einfluss mehr haben. Die Schatten sind außer Kontrolle geraten – und wir Druiden tun nichts anderes dagegen, als an den Symptomen herumzudoktern! Brechen hier Nebel aus, rennen wir hin und kämpfen, treten dort Fomorer über die Grenzen, treiben wir sie zurück, aber wir reagieren nur noch! Wir müssen endlich wieder die Initiative ergreifen!«
    Ohne sich nach ihnen umzudrehen, meinte Häuptling Grear mit leichter Stimme: »So, Kriegsherr Brynndrech, und was schlagt Ihr vor, um die Initiative zurückzugewinnen? So wie es aussieht, sind wir momentan zu wenige, um das aus eigener Kraft zu schaffen! Einen Angriff auf Inverness? Ein Bündnis mit der Kirche? Oder sollen wir versuchen, die
Ratten
für unsere Sache zu gewinnen?« Er meinte die Rattenmenschen, gestaltwandelnde Diener der Schatten.
    Brynndrech wandte den Blick wieder zu Boden, ohne etwas darauf zu antworten. Bevor Grear jedoch noch weiter nachbohren konnte, erreichten sie die Burg.
    Am Burgtor wechselte der Häuptling ein paar Worte mit den Wachmännern, bevor er sich wieder zu ihnen wandte: »In der Versammlung wird übrigens Englisch gesprochen. Die gallischen Druiden tun sich teilweise recht schwer mit unserem Gälisch, und außerhalb des Glen Affric sind Talismane wie Keelins Knochenzauber eine Seltenheit.«
    Sie überquerten den Innenhof, in dem ein Trupp schottischer Krieger mit Pfeil und Bogen übte. Keelin vermutete, dass die restlichen Männer, die in kleineren Gruppen beieinanderstanden und weitaus edler gekleidet waren, wohl Ratsmitglieder waren.
Druiden-Fürsten,
dachte sie. Es überraschte sie nicht, dass sich keine einzige Frau unter ihnen befand.
    Es hatte nicht lange gedauert herauszufinden, dass sich in derInnenwelt keinerlei Emanzipation durchgesetzt hatte. Anfangs hatte sie geglaubt, dass die Existenz weiblicher Druiden auf eine Gleichberechtigung schließen ließe, doch bald hatte sie festgestellt, dass die seltenen weiblichen Druiden wohl eher als eine Laune der Natur angesehen wurden denn als gleichwertige Partner.

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