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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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Kommandos und Warnungen, die sie wie im Traum ihren Kollegen und Vorgesetzten zurief, acht deutsche Soldaten, die sich durch den Mob kämpften, als zu Hause noch niemand daran dachte, deutsche Soldaten jemals wieder zu etwas anderem als Sanitätsdiensten und Aufbauhilfe ins Ausland zu schicken … Veronika erinnerte sich an den abgebrühten deutschen Priester im christlichen Viertel, der sie abfing und in seiner Mission versteckte, tagelang, bis die Wut der Stadt wieder so weit abgeklungen war, dass er es wagte, die Soldaten nach draußen zu lassen, ohne Ausrüstung, in Klamotten der Einheimischen verkleidet, Veronikas blonde Haare schwarz gefärbt vom alten Motoröl … und dann zurück in Deutschland, die Schweigegelübde über das, was sich nie hätte ereignen dürfen, und für Veronika die Frage: »Möchten Sie zu den Fallschirmjägern?« Dann fing alles von vorne an, sie saß wieder in einem Jeep, das Verdeck offen, das Haar flatterte im Wind, und aus den Boxen der Anlage dröhnten die Beach Boys mit
Surfin’ U SA

    Veronika schrie, bevor sich der Traum weiterdrehen konnte, bevor sie sich noch einmal mit Thomas auseinandersetzen musste. Sie konnte das b-Wort nicht mehr hören. Stattdessen schälte sie sich aus Schlafsack und Decken und griff nach der Zigarettenschachtel auf ihrem Schreibtisch. Sie hatte zu rauchen begonnen, als sie mit Thomas zusammen gewesen war, und es sich danach wieder abgewöhnt. In manchen Situationen jedoch konnte sie nicht ohne, und die Alpträume von Thomas und Mogadischu gehörten dazu.
    Sie brauchte mehrere Versuche, mit ihren zittrigen Händen den Glimmstengel anzuzünden. Mit tiefen Atemzügen inhalierte sie und spürte, wie sie ruhiger wurde. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es bereits nach sechs Uhr war. Nachdem sie sich angezogen hatte, verließ sie ihr Zimmer und ging nach draußen.
    Die Kälte war bitterlich. Sie stellte den Uniformkragen nach oben und hielt sich an der warmen Zigarette fest. Erst nach ein paar Minuten fiel ihr ein, dass ihr Zug ja Dienst hatte – sie war Wachoffizierin! Der Gedanke an einen starken Kaffee trieb sie zum Wachhaus beim Tor.
    »Sie rauchen, Frau Leutnant?«, fragte der Hauptgefreite Kollborn, als sie den Raum betrat. Der schlaksige junge Mann trug wie immer in der letzten Zeit schwarze Lederhandschuhe, die seine Tätowierungen verdeckten. Seitdem er das tat, hatte Veronika ihn wieder zum Gruppenführer gemacht.
    »Nein, eigentlich nicht«, antwortete sie. »Gibt es Kaffee?«
    »Für Sie immer! Mayer!«
    »Schon dabei«, antwortete der Soldat. »Gescheit kalt draußen, was, Frau Leutnant?«
    Gefreiter Gustav Mayer, aus Berchtesgaden,
identifizierte ihn Veronika anhand seines Dialekts. Der einzige Bayer des Zuges. »Saukalt«, stimmte sie ihm zu.
    »Daheim werden sie jetzt bestimmt Ski fahren!«, schwätzte er weiter. »Schon schade, dass wir das hier nicht machen können!« Mayer stellte die Tasse vor ihr ab und schenkte ein. Sofort breitete sich das Kaffeearoma im Raum aus.
    »Danke!« Veronika drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und umklammerte die Tasse mit beiden Händen. »Warum sind Sie eigentlich nicht zu den Gebirgsjägern gegangen? Da könnten Sie jetzt wahrscheinlich Ski fahren!« So scheußlich sein Dialekt auch war, irgendwie fand sie es lustig, ihm zuzuhören.
    »Ach, Schmarrn, Gebirgsjäger! Ich wollte Fallschirmspringen, nicht die ganze Zeit Berge hochklettern! Außerdem habe ich dann, wenn ich heimkomme, ganz viele Geschichten über die Preußen zu erzählen. Ich mache sozusagen ein Feldstudium: Habe mich unerkannt unter sie gemischt und schaue jetzt zu, was sie so treiben in freier Wildbahn!« Allein die Tatsache, wie entspannt der Soldat inzwischen auch in ihrer Gegenwart war, sagte viel darüber aus, wie weit sie es inzwischen gebracht hatte.
    »Unerkannt, wie?«, fragte ihn Kollborn kritisch. »Dir würde man den Bayern selbst dann noch anriechen, wenn du dir deinen Dialekt abgewöhnen würdest!«
    »Ach was, Herr Gruppenführer!«
    Der dritte anwesende Soldat – Veronika erkannte ihn nicht sofort – brach jetzt in Gelächter aus. »Feldstudium, was? Du
glaubst
das am Ende auch noch, was du da von dir gibst? Bayern, ihr spinnt doch alle!«
    »Aber ihr habt die Weisheit auch nicht gerade mit den Löffeln gefressen!« Mayer hatte sich mit einem breiten Grinsen wieder an seinen Fensterplatz gesetzt und starrte nach draußen. Nach einer kurzen Pause gab er als Nachsatz noch hinterher: »Muss ich mir das

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