Schattenkrieg
Moment sehnlicher, als sie in denArm zu nehmen … Doch er spürte die Befangenheit, die seit ihrem letzten großen Streit zwischen sie getreten war, spürte, wie sie ihn zurückhielt. Er schluckte, wusste nicht, was er tun sollte.
Verdammt, ich stehe vor meiner Frau, vor meiner eigenen Frau, ich ziehe in den Krieg davon, keine Ahnung, ob ich je wieder zurückkommen werde, und ich weiß nicht, was ich tun soll! Was bei Himmel und Erde ist bloß in den letzten Monaten mit uns passiert?
Er sah, wie Maelas Augen glasig wurden, wie plötzlich Tränen über ihr erstarrtes Gesicht rannen, und da endlich fand er die Kraft, sie zu sich zu ziehen. Als ob damit die unsichtbare Wand zwischen ihnen zerbrochen wäre, begann sie heftig zu schluchzen und zu weinen. »Ronan, komm wieder zurück, ja, versprich mir das!«, flüsterte sie verzweifelt. »Pass auf dich auf! Ich will dich wiederhaben, so wie du bist, verstehst du, du brauchst da unten keine Heldentaten mehr vollbringen, du
bist
bereits ein Held, der Größte aller Bretonen überhaupt, niemand kann von dir mehr erwarten …«
Ronan strich mit seiner Hand über ihr Haar. »Ich verspreche es dir«, versuchte er sie zu beruhigen. »Du hast gehört, was ich den Mädchen gesagt habe, und du weißt, dass ich sie nicht anlüge!«
»Komm zurück, hörst du! Wir
brauchen
dich, mehr als dich der Rat braucht oder das Heer oder …« Ihre Stimme ging unter in ihrem Schluchzen.
Ronan atmete tief, schnappend, unregelmäßig, es war das Atmen, kurz bevor man zu weinen begann. Er schluckte, schluckte noch einmal, es half nichts – er musste gehen, wenn er nicht mit tränenunterlaufenen Augen vor seine Männer treten wollte. Sanft schob er Maela von sich. »Ich liebe dich!«, flüsterte er. Dann, bevor sie etwas darauf erwidern konnte, wandte er sich ab, hob Schild und Streithammer auf und ging hastig davon.
Er drehte sich nicht um.
Der Gang durch die Stadt fiel ihm so schwer wie noch nie. Jedes Haus, jede Bank, jedes ausgebreitete Fischernetz und jeder herumliegendeKrebskorb gehörte zu einem Mann, der nun die Stadt verlassen hatte und vielleicht nie wieder zurückkehren würde. In diesem Haus wohnte Ewen mit seiner Sippe, in jenem Konan, dessen Söhne Jagu und Luner ebenfalls mitmarschierten, dort Ergad, ein Namensvetter seines eigenen Sohns … Die Kette an Namen riss erst ab, als Ronan die Fischerhütten hinter sich ließ und durch das Viertel der Handwerker ging, wo er weniger Menschen persönlich kannte. In seinem Kopf tauchten jedoch weitere Gesichter auf: Hier lebte ein dicker Schneider und seine drei verpickelten Töchter, im nächsten der kantige Hufschmied, zwei Häuser weiter ein Bäcker mit rotem Gesicht … Wie die Stadt wohl sein würde, wenn all diese Männer nicht mehr hier waren? Wenn nur noch Frauen, Kinder und Alte hier lebten?
Ein Mann sollte nur
einmal
in seinem Leben in den Krieg ziehen müssen, in jungen Jahren, wenn er noch nicht weiß, was ihm bevorsteht, und nicht versteht, welche Folgen sein Tun haben konnte!
Oh, wie sehr er es doch hasste, seine Heimat, die Stadt, in der er geboren und aufgewachsen war, jetzt zu verlassen!
Die Menschenmenge vor der Stadt war schon von weitem zu sehen. Insgesamt an die zweitausend Männer standen dort bereit, mit einer Unzahl an Frauen und Kindern. Die Krieger waren zum Krieg gerüstet mit Speeren und Schilden, Klingen und Lederpanzern, überall standen große Rucksäcke in Haufen beisammen. Hunde sprangen herum und bellten wie verrückt, von der Aufregung der Menschen angesteckt. Bunte Banner wehten im Wind.
Die Druiden standen in einer kleinen Gruppe etwas abseits. Ronan erkannte Seog als Ersten. Er befand sich im Gespräch mit Briand und Meven. Daneben standen die beiden Frauen Ninnog und Aouregan, etwas abseits Kongar und Maelog. Das letzte Dreiergrüppchen ließ Ronan für den Moment seine Sorgen vergessen: Es waren Padern und Karanteq, die beiden Kundschafter-Druiden, die er zu den Waldläufern geschickt hatte – und Derrien selbst! Die drei würden den Marsch nicht begleiten, aber es war trotzdem schön, dass sie gekommen waren!
»Wir sind marschbereit?«, fragte er Seog, nachdem er zu ihnen getreten war.
»Wir sind marschbereit, Herr.«
Seog würde nach diesem Feldzug Kriegsherr der Bretonen werden; deshalb hatte Ronan ihm die Logistik übertragen. Er musste sich jedoch vergewissern, ob der junge Druide der Aufgabe auch gewachsen war, deshalb fragte er: »Wie werden wir marschieren?«
»Nun, ich dachte
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