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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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Schlachtauszeichneten. Und gab es danach nicht ohnehin genügend bretonische Witwen, die neu verheiratet werden konnten und somit zur Entwurzelung eines Unfreien beitragen konnten? Ronan konnte nur den Kopf schütteln bei einem solchen Gedankengang. Das einzige Glück war, dass seiner Maela kein solches Schicksal widerfahren konnte – sie war selbst eine Entwurzelte, und mit einem Entwurzelten ließen sich nicht andere entwurzeln.
    Drückendes Schweigen herrschte in der Halle, und auch dem seichten Harfespiel seiner Tochter Tedvil gelang es nicht, die Männer zu fröhlicherer Stimmung zu verleiten. In anderen Hallen war das anders – so manch ein Saufgelage wurde heute gefeiert, so manch prahlerische Lüge über Kühnheit und Wagemut während vergangener und zukünftiger Schlachten vorgetragen, doch Fagans Männer wussten, wie ihr Herr über den bevorstehenden Feldzug dachte. Keiner von ihnen wagte es, die Stimme zu erheben.
    So kam es, dass den vier Männern eisige Stille entgegenschlug, als sie die Tür zu seiner Halle öffneten und eintraten.
    Drei von ihnen waren Fischer, allesamt Einheimische. Ronan erkannte einen von ihnen, Kado, ein Mann von großer Statur, dunklem Haar und einem wallenden Bart auf der Oberlippe. Er trug einen Umhang aus Wolfsfell, ein teures Stück, welches seinen Status als Anführer der drei anzeigte. Die Haut um sein rechtes Auge war blau angelaufen, das Auge selbst zugeschwollen. Die anderen beiden waren Männer, die Ronan vom Sehen her kannte, aber nicht mit Namen; der eine war untersetzt, mit einer krummen Nase, der andere bärtig und mit einem auffälligen Hinken. Sie trugen Fischerkleider aus derber Wolle und lederne Stiefel. Die beiden waren deutlich jünger als ihr Anführer, etwa zwanzig, wie Ronan schätzte. Sie hatten einen vierten Mann zwischen sich genommen, einen dürren Kerl in ihrem Alter, aber deutlich ärmlicher gekleidet, mit hölzernen Pantoffeln und einer simplen, rauen Tunika, die kaum ausreichte, um sich vor der Kälte zu schützen. Der Mann wand sich und versuchte erfolglos, dem festen Griff der Fischer zu entkommen. Als er jedoch die plötzlicheAufmerksamkeit der gesamten Halle auf sich spürte, wurde er still und kreidebleich.
    »Was wollt ihr hier?«, fragte Ronan. Er stand auf und ging langsam an der Tafel entlang, ihnen entgegen.
    »Herr«, murmelte Kado ehrfürchtig und ließ sich auf sein Knie sinken. Seine beiden Begleiter folgten seinem Beispiel und zogen ihren Gefangenen unsanft zu Boden. »Ich bitte Euch um Eure Gerechtigkeit.« Seine Stimme klang etwas verwaschen. Vermutlich hatte er zuviel getrunken.
    Ronan vermied es, eine Grimasse zu ziehen. Er hatte keine Lust, an seinem letzten Abend in Kêr Bagbeg Recht zu sprechen. Er warf einen kurzen Blick auf Kados blaues Auge und auf seinen Gefangenen und glaubte zu wissen, worum es ging. Kado war geschlagen worden. Nun erwartete er Genugtuung.
    »Sprecht«, seufzte er. »Und erhebt Euch.«
    »Dieser Mann dort«, erklärte Kado, nachdem er wieder aufgestanden war, »ist mein Leibeigener. Er hat sich mir widersetzt und es gewagt, mir ins Gesicht zu schlagen. Dafür fordere ich seine Bestrafung!«
    »Herr!«, rief der Leibeigene und versuchte, auf die Beine zu kommen. »Ihr wisst nicht –«
    »SCHWEIG!«, schrie der Mann mit der krummen Nase und stieß ihn zurück zu Boden.
    Ronan ignorierte den Leibeigenen. Es war ein schwerwiegendes Verbrechen, sich seinem Leibesherrn zu widersetzen. Ihn gar zu schlagen … »Warum bist du zu mir gekommen?«, fragte er Kado. »Du bist sein Herr und hast das Recht, ihn angemessen zu bestrafen.«
    »Herr, ich möchte, dass
Ihr
ihn verurteilt. Er ist ein Unruhestifter und Verräter.«
    Wieder rief der Leibeigene dazwischen: »Wie kann ich als Euer Gefangener ein Verräter sein?«
    Dieses Mal schlug ihm der Fischer mit der Faust ins Gesicht. Der Leibeigene stürzte zu Boden. Als er sich wieder aufrichtete,war seine Lippe aufgeplatzt und blutete. Ronan ging nicht dazwischen. Wenn es Kado für richtig empfand, ihn schlagen zu lassen, hatte er ein Recht darauf.
    »Warum ein Verräter?«, fragte er Kado.
    »Er erzählt meinen anderen Leibeigenen aufrührerische Geschichten. Geschichten über die Germanen und eine Königin, die kommen wird, um sie alle zu befreien. Deshalb wollte ich ihn bestrafen. Zehn Peitschenhiebe, das ist nicht unvernünftig viel. Aber er weigerte sich und wehrte sich.«
    Zehn Peitschenhiebe
… Das
war
viel. Dennoch hatte Kado das Recht, eine solche Strafe

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