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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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über seinen Leibeigenen zu verhängen. Was die Sache jedoch kompliziert machte, war die Tatsache, dass der Leibeigene seinem Akzent nach zu urteilen ein Außenweltler war. In Norwegen war die Prügelstrafe verboten, und Ronan hatte deswegen schon mehr als eine schwere Auseinandersetzung mit Maela gehabt, die selbst eine Außenweltlerin war. Sie hielt die Bestrafung für barbarisch und ungerecht. Der Leibeigene dachte vermutlich ähnlich.
    Dennoch zwang Ronan sich dazu, Kado zuzustimmen. Es konnte nicht zweierlei Rechtssprechung geben. Er sah den flehenden Blick des Leibeigenen und stellte fest, dass er noch nicht einmal seinen Namen wusste.
    »Wie heißt du?«, fragte er ihn deshalb.
    »Thorsten, Herr.« Sein Akzent war sicherlich ein germanischer, aber irgendwie klang er anders als Maelas. Die typisch norwegische Sprachmelodie fehlte.
    »Woher kommst du?«
    »Aus der Außenwelt«, erwiderte Thorsten. Als er sah, dass die Antwort Ronan noch nicht zufriedenstellte, fügte er schnell hinzu: »Aus Deutschland.«
    »Und was genau hast du gesagt, weshalb dich dein Herr bestrafen will?«
    Der Leibeigene wurde noch blasser als zuvor. Er schüttelte den Kopf und biss sich auf die Lippen.
    »Erzähl es ihm!«, befahl der Mann mit der Hakennase und drohte mit der Faust. Thorsten verzog das Gesicht angstvoll in Erwartung weiterer Schmerzen, doch er schüttelte weiter den Kopf. Der Schlag kam und warf ihn erneut zu Boden. Der Fischer wischte sich das Blut an seiner Hose ab.
    »Das ist genug«, erklärte Ronan. Er seufzte. Er konnte diesen Thorsten verstehen, doch das durfte ihn nicht davon abhalten, eine angemessene Strafe auszusprechen. Angemessen wären die Zeichnung mit dem Brandmal und die anschließende Verbannung aus dem Land der Bretonen. Doch so, wie die Dinge momentan standen, würde er den Mann nur in die Hände der Schatten treiben, die sich im Niemandsland vermutlich diebisch freuten über jeden Ausgestoßenen, der die Reihen ihrer Fomorer verstärkte. »Du willst nicht sprechen?«
    Der Leibeigene schüttelte nur den Kopf.
    Ronan nickte und erklärte traurig: »Ich verurteile dich hiermit zu dreißig Peitschenhieben – auszuführen morgen früh bei Sonnenaufgang.«
    Thorsten sah entsetzt auf. »Herr, das könnt Ihr nicht tun!«, rief er panisch. »Das ist nicht gerecht! Ihr Kelten habt mir ein goldenes Leben versprochen, wenn ich zu euch in die Innenwelt komme! Ihr könnt mich nicht auspeitschen!!«
    Ronan presste frustriert die Lippen aufeinander. »Bringt ihn weg!«
    Kado gab seinen beiden Männern ein Zeichen, worauf sie Thorsten unter den Schultern packten und auf die Beine zogen. Der Leibeigene sträubte und wehrte sich und brüllte: »Ihr könnt das nicht tun! Ihr macht einen Fehler! Meine Vorfahren waren mächtige Druiden-Könige! Sie werden mich rächen! Meine Schwester wird kommen, und dann werdet ihr bereuen, dass ihr mit mir so umgesprungen seid …«
    Sein Geschrei verstummte, als Kado hinter sich die Tür schloss. Frustriert und müde ging Ronan zurück zu seinem Platz an der Spitze der Tafel und hoffte, dass der Abend bald vorüberging.
     
    Der nächste Morgen war ein stürmischer Tag. Die Wellen auf dem Fjord schlugen hoch. Ein scharfer Wind wehte von Westen her und trieb tiefhängende graue Regenwolken über den Himmel. Dennoch war es für Anfang März überraschend warm. Der Schnee in den Fjordtälern war bereits abgeschmolzen. Wenn es nicht zu regnen anfing, würde der Tag zum Marschieren gerade gut genug sein. Ronans Geister hatten Wort gehalten.
    Doch Ronan wollte nicht marschieren. Er
hasste
den Krieg. Außerdem hatte er Angst, was nicht einfach war, sich einzugestehen, vor allem nicht als Druide. Noch dazu hatte er einen Haufen anderer Sorgen.
    Zum einen waren die Speicher der Stadt nicht sonderlich gut gefüllt. Zu viele Säcke Getreide, zu viele Fässer Fisch waren auf die Maultiere geladen, die den Tross für ihr Heer bildeten. Die zu Hause zurückbleibenden Frauen und Kinder würden bald hungern, selbst wenn der Feldzug nur so kurz ausfiel, wie alle hofften. Und auch die Krieger hatten nicht genug. Sie waren darauf angewiesen, einen feindlichen Tross zu erobern oder gegnerische Siedlungen zu plündern, sonst würde auch sie der Hunger treffen.
    Zum anderen hatte er von einer beunruhigenden Nachricht aus Schottland gehört: Die Renegaten aus Inverness am östlichen Ende des Loch Ness berichteten davon, dass sich das Monster seit einiger Zeit verdächtig ruhig verhielt und möglicherweise

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