Schattenkrieg
schnell sie die Waffe wohl ziehen und aufspringen lassen konnte.
Nicht schnell genug wahrscheinlich …
Dann standen sie unversehens vor einem weiteren bewachten Durchgang. Nach einem kurzen Wortwechsel und einem weiteren Schein durften sie passieren. Dahinter lag ein Treppenhaus, nur schwach von ein paar Neonleuchten erhellt, aus metallenen Geländern und Gitterböden.
Die plötzliche Stille wirkte irreal und falsch. Immerhin ließen ihre Kopfschmerzen etwas nach, worüber sie unendlich dankbar war. Sie wollte sich erkundigen, was genau eigentlich gerade passiert war, als Derrien zischte: »Los, beeilen wir uns! Ich will nicht, dass die uns im Treppenhaus kriegen! Iwan, du deckst unseren Rücken!« Eilig lief er mit fliegendem Mantel die Gittertreppe nach unten. Leiff folgte ihm hastig, während Ingmar seine Makarov zog und über die Kette stieg, die die Treppe nach oben versperren sollte.
Keelin eilte den anderen hinterher nach unten. Für ein paar Sekunden waren die einzigen Geräusche das Hallen ihrer Schritte auf den Gitterstufen und ihr eigenes Atmen. Sie lauschte eindringlich, ob sich über ihr die Tür noch einmal öffnete und ihre Verfolger auftauchten. Doch sie hörte nichts und entspannte sich etwas. Kurz darauf hatten sie das Ende der Treppe erreicht. Eine schwere Metalltür trennte sie noch von der Unterwelt.
»Warte«, flüsterte Leiff, als Derrien nach der Türklinke griff. Er zog zwei Ohrenstöpsel aus der Hosentasche.
Doch noch bevor er dazu kam, sie sich in die Ohren zu stecken, befahl Derrien: »Gib sie Sascha!«
»Warum?«, fragte Leiff überrascht.
»Weil die Lautstärke da drinnen schon ohne Migräne schlimm genug ist!«
»Aber
meine
Ohren heilen
nicht
, wenn –«
Derriens Blick verfinsterte sich. Für einen kurzen Augenblick glaubte Keelin, in diesen Augen einen unglaublich großen und finsteren Hass erkennen zu können – nur für einen Augenblick, dann war der Eindruck auch schon wieder verflogen. Leiff gab Keelin die Stöpsel, ohne den Satz zu Ende zu sprechen. Sie warteten, bis sie fertig war, dann öffnete Derrien die Tür.
Dahinter lagen ein kurzer Gang und eine weitere Stahltür. Der Lärm der Musik war jedoch schon durch die Tür zu hören, durch die Ohrenstöpsel zwar gedämpft, aber dennoch laut genug. Keelin konnte sich vorstellen, wie es dann dahinter sein musste, und war Derrien auf einmal sehr dankbar.
Nachdem sie auch durch die zweite Tür hindurchgegangen waren, verstand Keelin erst,
wie
dankbar sie ihm sein musste. Die Lautstärke der Musik war ohrenbetäubend, selbst mit den Stöpseln. Gerade lief ein schnelles Stück, die Gitarren unheilverkündend verzerrt, mit einer klaren, hohen weiblichen Gesangsstimme. Die Drums waren so laut, dass jeder Schlag einen kurzen Stich durch ihren Kopf sandte. Keelin sah vor sich eine große Tanzfläche, auf der eine schwarzgekleidete Menge zum Rhythmus des Stücks die Köpfe schüttelte. Am Rand waren Barhocker und hohe Tischchen verteilt, an denen weitere Gäste saßen und an ihren Drinks nippten. Immerhin war noch nicht allzu viel los, so dass man sich noch ohne Wühlen und Drängeln fortbewegen konnte.
Leiff ging voran. Zielsicher manövrierte er sie an der Tanzfläche vorbei zu einem breiten Durchgang, der sie in einen anderen Bereich brachte. Die Musik wurde noch lauter. Auf einer Bühnestand eine Band, und erst jetzt fiel Keelin auf, dass die Musik live gespielt war. Hier wurde es schwieriger, sich durch die Menge zu quetschen, und Keelin kam nicht umhin, einen Teil des Songtexts mitzukriegen.
When the shadow falls over me
I go out and wait for my prize
When he finally falls for my lures
I have his soul for to feast
Beware! Freed is the beast
Keelin rutschte das Herz in die Hose. Konnte es sein, dass die Sängerin auf der Bühne ein Schatten war? Oder gar die ganze Band? Der Text wirkte auf sie wie ein bisschen mehr als nur purer Zufall.
»Hörst du das?«, rief sie Derrien vor ihr ins Ohr.
»Ja! Denk dir nichts, das ist normal hier unten!«
Keelin nickte und versuchte, die Musik auszublenden.
Nachdem sie in etwa fünfzehn Minuten zwei weitere solcher Areas durchlaufen hatten, erreichten sie schließlich die Halle, in der sie mit den Renegaten verabredet waren. Sie war etwas besser beleuchtet als die zuvor, und gleich darauf fiel Keelin auf, dass hier keine Musik spielte. Stattdessen herrschte lautstarkes Geschrei, das von einer Horde Menschen in der Mitte der Halle ausging. Dort befand sich ein Geländer, an
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