Schattenkrieg
Händen, die Keelin vorhin noch nicht bemerkt hatte. Der zweite Schatten saß in der Empore über ihnen auf der anderenSeite der Arena. Seinen Kopf stützte er auf das Geländer, seine Arme baumelten darüber. In der Rechten hielt er ein Funkgerät, dessen Trageriemen um sein Handgelenk geschlungen war.
Keelin schüttelte den Kopf. Konnte das tatsächlich sein? Sie zwinkerte mit den Augen und zwang sich, nicht noch einmal hinzusehen. Es war schwierig, diese beiden Männer mit dem … dem
grauen Monster
in Verbindung zu bringen, das sie vor einem halben Jahr in ihrer Wohnung überfallen hatte. Konnte es sein, dass sich Alistair geirrt hatte? Ihr Kopf schwirrte, und das nicht nur wegen der Kopfschmerzen. Es gab so vieles, das sie nicht wusste. Sie war noch immer ein Spielball, hin und her geworfen von den Mächten dieser neuen Realität …
Eine Bedienung tauchte auf und fragte nach ihrer Bestellung. Keelin bemerkte ihren schwarzen Minirock, der ihr gerade so bis über die Pobacken reichte, und das ebenfalls schwarze, knappe Top, aus dem beinahe ihr Busen herausquoll, und fragte sich, ob sie neben ihrem Job als Bedienung auch als Prostituierte arbeitete. Sie bestellte sich ein Wasser. Die beiden
Geschäftsleute
verlangten nach Rotwein, worauf das Mädchen wieder verschwand.
Plötzlich wurde das Geschrei der Schaulustigen, das Keelin schon beinahe ausgeblendet hatte, zu einem ohrenbetäubenden Lärm. Sie sah in die Arena, wo sich die beiden Kontrahenten wachsam umkreisten. Ihr stach sofort ins Gesicht, dass der Bärtige kein Messer mehr in der Hand hielt, wohl aber der …
Schatten
…
»Bring ihn um!«, schrie die Menge und begann, laut auf ihre Tische zu klopfen. »Blut! Blut! Blut!«
Sie schüttelte den Kopf, war aber unfähig, den Blick abzuwenden. Jetzt ging der Schatten auf seinen Gegner los, machte zuerst einen waagerechten Hieb mit dem Messer, dann noch einen, denen der Bärtige nur durch Sprünge nach hinten ausweichen konnte. Der Schatten machte einen gewagten Ausfallschritt und stach zu, doch mit einer schnellen Bewegung, die Keelin seinem massigen Gegner nicht zugetraut hätte, wich dieser aus und schaffte es sogar, den Waffenarm des Schatten am Handgelenk zu packen. Der zweiteArm schnellte zu einem Schlag vor, wurde aber vom Schatten abgeblockt, so dass sich nun ihre Arme gegenseitig neutralisierten. Die beiden Männer versuchten Tritte und Fußangeln, um sich gegenseitig das Gleichgewicht zu nehmen.
Das Ganze wirkte unwirklich und völlig falsch auf Keelin. Es sah aus, als würden die Männer einen unbeholfenen Reigentanz tanzen und nicht auf Leben und Tod kämpfen.
Plötzlich ging alles ganz schnell. Eine Fußangel des Schattens ließ den Bärtigen für einen kurzen Augenblick nach vorne taumeln. Der Schatten schlug ihm seinen Schädel in das Gesicht, sein Waffenarm kam frei, wodurch sich die beiden unbeabsichtigt in die Arme fielen. Als der Schatten das Messer in den Rücken des Bärtigen trieb, ging ein Zucken durch dessen Körper. Die Zuschauermenge grölte ausgelassen. Das Messer kam blutverschmiert wieder zum Vorschein, stach erneut zu, dann noch einmal und noch einmal. Der Bärtige zappelte kraftlos in den Armen seines Killers, der noch zwei weitere Male zustieß, bevor er zur Seite trat und den Toten bäuchlings in den Sand fallen ließ. Dann hielt er das blutige Messer in die Höhe und stieß einen Siegesschrei aus.
»Das ist der vierte heute«, kommentierte Martin der Renegat.
Derrien zuckte mit den Schultern.
»Der vierte?«, fragte Keelin ungläubig.
Martin nickte. »Der vierte, der den Iren herausgefordert hat.«
»Den Iren?«
»Man nennt ihn Shamrock, den Irren Iren. Vor diesem Kampf war ein Preisgeld von zwanzigtausend Kronen ausgesetzt für denjenigen, der ihn besiegt. Jetzt wird es wahrscheinlich ein bisschen mehr sein.«
Keelin blickte zurück in die Arena. Der Bärtige lag mit dem Gesicht im Sand und rührte sich nicht mehr. Die Stiche in seinem Rücken klafften blutig. Sie schüttelte den Kopf.
Wofür hat er sein Leben gegeben? Für das Versprechen von nicht einmal zweitausend Pfund …
Ein Versprechen, das nie eines gewesen war, denn der Mann hatte von Anfang an keine Chance gehabt gegenden Schatten. Selbst wenn es ihm gelungen wäre, ihn zu verletzen, hätte sein Gegner die Wunde regeneriert und wäre letztendlich als Sieger davongegangen. Der Tote dort unten im Sand war ein Betrogener, ein weiteres Opfer der Überheblichkeit der Schatten, ein Beweis dafür, was ihnen
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