Schattenkrieg
eine Heilerin zu sein und keine Kämpferin, und die Tatsache, dass sie hier tief in Feindesland steckten und es nicht riskieren konnten, sich dem Feind zu offenbaren.
Deshalb blieb ihr auch beinahe das Herz stehen, als Brynndrech dort unten im Erdgeschoss auftauchte, sich über das Arena-Geländer schwang und die Leiter hinabkletterte – zu dem Schatten, der dort lauerte. Sie spürte, wie ihre Kinnlade nach unten fiel, ohne es verhindern zu können. Ein einziger Gedanke schoss durch ihren Kopf:
Das – kann – nicht – sein!
BATURIX
Niemandsland östlich von Bergen, Norwegen
Mittwoch, 17. März 1999
Die Innenwelt
Der Nebel war kein normaler Nebel, in keiner Hinsicht. Schon sein Aussehen war anders. Dunkler. Grauer.
Dichter
. Obwohl oben auf den Berghängen die Sonne schien, herrschte im Nebel ein Zwielicht, als ob die Dämmerung bereits eingesetzt hätte. Die Sichtweite betrug in den besten Fällen gerade einmal zwanzig Meter, meistens jedoch noch weniger. Die Luft stank nach Brackwasser und Moder. Scipio, der Anführer der Patrouille, der die beste Nase von ihnen hatte, behauptete, Öl und Benzin riechen zu können.
Die Patrouille war drei Mann stark. Scipio war ein helvetischer Waldläufer, ein alter, erfahrener Mann. Baturix und ein weiterer von Cintorix’ Gardisten, Septus, Magnus von Allobroga, waren ihm zugeteilt. Sie waren Kundschafter, die vor der Ratsarmee ritten, um nach dem Feind zu suchen und gegnerische Späher auszuschalten.
»In diesem verfluchten Nebel könnte eine ganze Armee an uns vorbeimarschieren, und wir würden sie nicht sehen!«, maulte Magnus und unterbrach damit ein schon mindestens zwei oder drei Stunden währendes Schweigen.
»Sehen nicht, aber hören!«, erwiderte Scipio von vorne.
»Da wäre ich mir nicht so sicher … Man hört hier drin fast genauso beschissen, wie man sieht …« Als Nachgedanken fügte Magnus noch an: »Die Spinne zieht uns das Fell über die Ohren, wenn wir etwas übersehen!«
Baturix lächelte schwach. Es hatte nicht lange gedauert, bis Magnus Scipios Ausdrucksweise übernommen hatte – wenn ihn Cintorixso hören könnte, würde er ihm
deswegen
das Fell über die Ohren ziehen! Der Fürst mochte es nicht gerne, wenn man ihn nach seinem Wappentier benannte – und noch weniger, wenn es ein Mann seiner Garde tat.
Die Stimmung unter den drei Kundschaftern war gedrückt. Am Morgen noch waren sie einer Tierfährte am Nordhang des Tals gefolgt, durch einen alten Kiefernwald hindurch, über dem die Sonne schien. Doch dann war der Nebel aufgetaucht, und Scipio hatte beschlossen, ihn als Deckung zu benutzen. Inzwischen glaubte er wahrscheinlich selbst nicht mehr daran, dass das eine gute Idee gewesen war.
Es war
Schattennebel
. Nebel, der entstand, wenn draußen in der Außenwelt Umweltverschmutzung und Leid überhandnahmen.
Baturix hatte damit gerechnet, bei ihrem Marsch nach Bergen irgendwann darauf zu stoßen; dass der Nebel jedoch dermaßen unangenehm und ekelerregend war, davor hatte ihn niemand gewarnt. Als der alte Scipio dann noch erzählt hatte, dass man in Verschmutzungsnebeln manchmal auf Phantome stieß, hatte das die Stimmung endgültig in den Keller getrieben. Sie waren alle drei keine Druiden und hätten gegen einen gefallenen Geist nicht den
Hauch
einer Chance. Seitdem Baturix in der Innenwelt lebte, hatte er sich noch nie so weit weg von zu Hause gefühlt. Drückende Gedanken der Einsamkeit und Verlassenheit nagten an ihm. Der Nebel schien gewisse depressive Laune geradezu zu provozieren.
Kahle, knorrige schwarze Bäume, die im Halbdunkel des Nebels noch nichts vom hereinbrechenden Frühling bemerkt hatten, schienen nach ihnen greifen zu wollen, während sie durch die Sümpfe ritten. Feuchtigkeit sickerte in Haare und Kleider und ließ die Männer frieren. Selbst ihre Reitpferde wirkten gedämpft, eingeschläfert von dem monotonen, schmatzenden Geräusch ihrer Hufe im morastigen Boden.
»Der Schwarze Baum hat hier vermutlich leichtes Spiel mit der Natur, was?«, fragte Magnus nach einer Weile.
»Wahrscheinlich«, erwiderte Scipio. Ein Schauer lief über Baturix’ Rücken.
Magnus brummte missmutig. »Dachte ich mir schon.« Es war wieder einmal typisch für ihn, die schlechte Stimmung durch seine Kommentare noch zu verdüstern. Die Bäume sahen schon gespenstisch genug aus, auch ohne die Vorstellung, sie könnten durch irgendeine schwarze Magie belebt sein …
»Ich frage mich, wie wir so etwas rechtzeitig bemerken
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