Schattenkrieg
zur Seite, duckte sich unter einem schnellen Hieb der scharfen Klauen hinweg, sprang zurück. Die Ratte setzte ihr nach. Keelin versuchte, im Rückwärtslauf die Makarov zu ziehen, als sie auf dem überfluteten Boden den Halt verlor und stürzte. Hastig versuchte sie, sich wieder aufzurappeln.
Der Fußschlag in ihr Gesicht kam so schnell, dass sie keine Chance hatte. Die Pfote hämmerte ihren Kopf in den Nacken, messerscharfe Krallen rissen ihr das Gesicht von Kinn bis zum Haaransatz auf. Rücklings stürzte sie zurück in das Wasser, schlug mit dem Hinterkopf auf die Fliesen darunter. Irgendwie fanden ihre Hände trotzdem die Pistole an ihrem Hosenbund, sie zog sie, zielte auf die Ratte -
- und verlor sie durch einen weiteren Fußschlag. Auch den darauffolgenden Tritt in die Flanke konnte sie nicht abwehren,ebensowenig den nächsten. Danach verschmolzen die Schläge und Tritte zu einer Menge, kamen so schnell, dass ihr nichts mehr blieb, als sich zusammenzukauern und mit den Händen ihr Gesicht zu schützen. Rasend schnell kamen die Angriffe, trafen ihre Beine, Arme, Flanken, den Rücken. Es gelang ihr nicht einmal mehr, ihre Druidenkraft zu mobilisieren, die sie eigentlich immun gegen den Schmerz machen sollte. Sie wusste: Wenn kein Wunder geschah, war das ihr Ende.
Als die Tritte aufhörten, war sie geschlagen. Gebrochene Rippen sandten bei jedem Atemzug heftige Stiche durch ihren Körper, ihre Muskeln waren so voller Blutergüsse, dass sie sich schon bei der geringsten Bewegung verkrampften. Ihr Gesicht lag mit einer Seite in der ekelhaften Brühe, die über dem Toilettenboden stand, doch Keelin hatte nicht mehr die Kraft, ihrem Körper auch nur die geringste Bewegung abzuringen.
Es lag an dem Rattenmenschen, dies für sie zu erledigen. Er beugte sich zu ihr herunter, packte sie am Kragen, zwang sie dazu, ihn anzusehen.
Aus der Nähe wurde sein Gesicht nicht besser. Zwar erkannte Keelin nun etwas mehr menschliche Züge darin als vorher, als sie sich gegenübergestanden hatten, doch sie waren hassverzerrt und entstellt. Seine Schnauze zitterte nervös und ließ seine Schnurrhaare vibrieren, aber seine kleinen schwarzen Äuglein waren hart und entschlossen. Er setzte an, etwas zu sagen -
- und stutzte plötzlich. Er schnüffelte hastig, leckte mit seiner rosafarbenen Zunge über ihre Wange (über die, die nicht im Dreck gelegen hatte), schnüffelte noch einmal.
»Du bist eine Frau!«, flüsterte er. Seine Sprache war verwaschen und undeutlich, aber immer noch verständlich.
Keelin starrte ihn fassungslos an.
»Du … Warum …?«, stammelte er. Sein Maul stand offen, während er um Worte rang.
Was zum Teufel
, dachte Keelin, ohne zu verstehen, was ihr Geschlecht an der Ausweglosigkeit ihrer Situation ändern sollte.
Was sie jedoch sehr wohl verstand, war die plötzliche gespannte Aufmerksamkeit in seiner entstellten Miene, der schnelle Blick über die Schulter zu der Kabine, aus der noch immer das Würgen des Schattens drang, und die kraftvolle Bewegung, mit der er Keelin auf die Beine zog.
»Mach, dass du hier wegkommst!«, zischte er und stieß sie in Richtung Ausgang.
Keelin stolperte beinahe erneut, doch inzwischen hatte ihr die Heilungskraft ihres Körpers schon wieder ausreichend Kraft zurückgegeben, um sie auf den Beinen zu halten. Sie wandte sich verstört um. »Aber –«
»Los, verschwinde!«, knurrte der Rattenmensch. Keelin glaubte den Konflikt zu erkennen, der in ihm tobte. »Verschwinde, bevor ich es mir anders überlege!«
Keelin hob abwehrend die Hände, wich zurück zur Tür. Ein Gefühl der Unwirklichkeit beschlich sie.
Träume ich?
fragte sie sich. Und wie schon damals, im Glen Affric, als sie davon geträumt hatte, vor Robb und Malcolm zu fliehen und sich dabei den Fuß zu verstauchen, drängte sich ungebeten eine weitere Frage auf:
Was passiert, wenn ich in diesem Traum sterbe?
Sie beschloss, es nicht herausfinden zu wollen. Sie machte auf dem Absatz kehrt und eilte davon.
VERONIKA
Eine Kaserne, irgendwo in Deutschland
Freitag, 19. März 1999
Die Außenwelt
Als sich die Tür des Munitionsbunkers öffnete, sah Veronika in grelles weißes Scheinwerferlicht. Sie kniff die Augen zusammen und hielt ihren Arm schützend davor. Nach der langen Dunkelheit war die ungewohnte Helligkeit geradezu schmerzhaft. Mühsam rappelte sie sich auf.
In der Stille konnte sie nur zu deutlich hören, wie eine Waffe durchgeladen wurde.
»Keine Bewegung!«, schrie eine Stimme, »und
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