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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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der Blutstrom zwischen seinen Fingern hindurch beinahe vollständig verebbt war. Wenn dies doch nur den Schatten nicht auffiel …
    Als der Irre Ire auf Brynndrech losging – selbstsicher, nur noch den Todesstoß setzen zu müssen –, erwachte der Waliser plötzlich zu neuem Leben. Geschickt wich er dem Stich aus und stieß seinerseits auf das Herz seines Gegners ein. Doch der Schatten war schnell. Gerade noch rechtzeitig zuckte er zurück, so dass ihm Brynndrech nur einen oberflächlichen Schnitt über die Brust zufügen konnte. Als sie sich voneinander lösten, bluteten beide.
    Keelin knirschte mit den Zähnen.
Gleich wird es passieren …
    Der Irre Ire benötigte nur ein paar Augenblicke, um zu kapieren, dass etwas nicht stimmte. Seine Linke tastete plötzlich nach der Wunde – nach der von einer
Druidenwaffe
geschlagenen Wunde, die so gar nicht daran
dachte
, schnell abzuheilen. Er gestikulierte kurz in Richtung seines Partners auf der Empore, als Brynndrech auch schon zum Gegenangriff ansetzte.
    Offenbar hatte der kurze Wink als Warnung ausgereicht. Der Schatten mit dem Funkgerät sprang auf, in seinem Gesicht Überraschung und Verwirrung. Er sah nach unten, vermutlich auf der Suche nach weiteren Beweisen dafür, dass Brynndrech mehr war, als er schien. Dann wandte er sich plötzlich ab und lief davon.
    Eine Woge aus Adrenalin pulste durch Keelins Körper, als sie aufstand und sich daranmachte, ihn zu verfolgen. Inbrünstig hoffte sie, ihn niemals einzuholen …
    Der Schatten verschwand auf der Männertoilette. Keelin blieb davor stehen, um ihre zu Butter werdenden Knie wieder unter Kontrolle zu bringen. Es gelang ihr nur teilweise, doch das musste ausreichen. Sie unterdrückte den Drang, sich noch einmal umzusehen, und ging durch die Schwingtür.
    Der Vorraum war nicht besonders groß. Zwei Waschbecken unter leeren Spiegelfassungen sowie zwei demolierte Papierhandtuchhalter waren die gesamte Einrichtung. Eines der beiden Waschbecken war übergelaufen und hatte den Vorraum fingerdick unter Wasser gesetzt. Der Geruch nach Urin und Erbrochenem war schon hier unerträglich und ließ Keelin würgen.
    Von dem Schatten war keine Spur.
    Nicht, dass ich schon hier mit ihm gerechnet hätte …
    Die zweite Schwingtür kostete Keelin noch größere Überwindung als die erste. Die Toiletten dahinter bestanden aus einer Dachrinne, die auf Hüfthöhe an der rechten Wand angebracht war, und einer Reihe aus WC-Kabinen gegenüber. In der Mitte des Raumes, wie der Vorraum überflutet, befand sich ein großer Kotze-Haufen, der im Begriff war, sich im Wasser aufzulösen. Anblick und Geruch davon trieben Keelin einen Schwall Mageninhalt in den Mund. Sie schluckte ihn mit einem Akt der Selbstbeherrschung wieder nach unten. Jetzt die Kontrolle über ihren Magen zu verlieren würde ihr den letzten Mut vor der bevorstehenden Konfrontation rauben.
    Das Rauschen des Funkgeräts war deutlich zu hören. Es kam aus der hintersten Kabine. Keelin bemühte sich, in möglichst neutralem Tempo dorthin zu gelangen.
    Der Schatten hatte hinter sich abgeschlossen, wie sie mit einem kurzen Blick feststellte. Alles andere wäre auch
zu
einfach gewesen …
    Keelin betrat die Kabine daneben, nicht ohne vorher registriert zu haben, dass man die Türschlösser notfalls auch mit einer Münze öffnen konnte.
    Die Geräusche, die durch die Wand drangen, ließen ihr das Blut in den Adern gefrieren. Es war Schattensprache. Die Sprache, die sie zuletzt bei den Renegaten in Inverness gehört hatte. Das Knarren alter Holzdielen, das einen Menschen erstarren ließ, wenn er es des Nachts auf dem Gang hörte, oder eines alten Baumes, der einem Angst einjagte, wenn man alleine im Wald war. Das Versprechen von Gewalt und Brutalität schwang in dieser Stimme, selbst wenn es Keelin unmöglich war, einzelne Wörter herauszuhören.
    Es war auch nicht nötig. Was sollte der Schatten anderes machen, als Verstärkung anzufordern? Sie musste
jetzt
handeln – oder überhaupt nicht.
    Als sich Keelin zu Boden beugte, musste sie all ihren Willen zusammennehmen,um nicht aus den Schuhen zu kippen. Unter der Trennwand hindurchblickend, sah sie zwei schwarze Hosenbeine. Die Zähne zusammenbeißend, streckte sie die Hand aus. Die Welt schien den Atem anzuhalten …
    Blitzschnell griff sie unter den Stoff, griff nach dem Bein, zwang sich, nicht vor der ledrigen kalten Haut zurückzuschauern, zwang sich, sich dem Schmerz zu öffnen, den sie schon seit Stunden mit sich herumtrug.
    Der

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