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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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Lebensende in die Klapse stecken …
    Sie schnallten sie sogar an, bevor sie den Fahrer anwiesen loszufahren. Der LKW wurde angelassen und setzte sich dröhnend in Bewegung.
    Um Veronika herum war es wieder dunkel. Sie hatten die Plane heruntergelassen, auch hinten am Einstieg, wahrscheinlich, um dieKälte draußenzuhalten, und so war die einzige Lichtquelle das Verbindungsfenster zur Fahrerkabine.
    Veronika versuchte trotzdem, Einzelheiten an ihren Bewachern zu erkennen. Das Flugzeug, mit dem man sie nach Deutschland gebracht hatte, war in der Nacht gelandet, und sie hatte keinen Fensterplatz gehabt. Den Flughafen hatte sie nicht erkannt mit den wenigen Blicken, die sie darauf hatte werfen können; dann hatte man sie in einen LKW gesteckt und zwei oder vielleicht auch drei Stunden lang irgendwohin gekarrt. Sie wusste bisher weder, in welcher Kaserne man sie gefangen gehalten hatte, noch, welche Einheit dort stationiert war.
    Die drei Männer, die mit ihr eingestiegen waren, trugen über ihrer Uniform weiße Binden an den Oberarmen mit den Buchstaben MP.
Militärpolizei. Feldjäger.
Einer der drei war ein Stabsunteroffizier und hieß laut Namensschild auf seiner Brust Schenk, die anderen beiden waren ein Obergefreiter namens Kaiser und ein Gefreiter namens Roth. Sie waren allesamt mit Maschinenpistolen ausgerüstet, MP-5 s, die standardmäßige Ausrüstung der Feldjäger. Das Einheitenzeichen, das sie an den Schultern trugen, erkannte Veronika zu ihrer Enttäuschung nicht. Doch selbst wenn sie die Einheit – oder gar die Männer selbst – gekannt hätte, was hätte es ihr gebracht? Vermutlich war es besser, von drei Fremden bewacht zu werden, für die sie nur eine lästige Verpflichtung darstellte, als von drei Freunden, die entsetzt darüber waren, was sie getan hatte.
    Aber was hatte sie eigentlich getan? Sie hatte ihrem Zugfeldwebel den Kopf abgeschlagen, zumindest warf man ihr das vor. Und sie hatten sie lange geprügelt, um herauszufinden, was damit passiert war. Ihre eigene Erklärung – dass Fatima den Kopf mitgenommen hatte und die Tatwaffe als kleiner Anhänger an einer Kette um Veronikas Hals hing – war dermaßen absurd, dass sie selbst nicht mehr daran glaubte.
    Doch wenn das nicht stimmte – wo zum Teufel steckte dann Ulrichs Kopf? Hatte sie ihn verbrannt? Oder
gegessen
, wie einer ihrerVerhörer vorgeschlagen hatte? Veronika wurde schon bei der Vorstellung übel. Eigentlich wurde ihr schon schlecht dabei, sich auszumalen, einem Menschen den Kopf
abzuschlagen
. Doch offenbar hatte sie das getan, zumindest in diesem Punkt stimmte ihre Erinnerung mit den Vorwürfen in ihrer Anklageschrift überein. Doch kein Mensch außer ihr hatte Fatima gesehen, kein Mensch auf dem gesamten Stützpunkt hatte Schüsse fallen hören (und der, der sich aus ihrer eigenen Dienstwaffe gelöst hatte, hätte gehört werden
müssen
, selbst wenn jeder einzelne wachhabende Soldat geschlafen hätte), und vor allem hatte kein Mensch gesehen, wie sich Ulrich in eine schreckliche graue Gestalt verwandelt hatte, die sie noch heute nachts in ihren Alpträumen verfolgte.
    Veronika fühlte sich verloren. An was sollte sie glauben, wenn sie schon ihr eigener Verstand an der Nase herumführte?
    Die Fahrt verlief ereignislos und schweigsam. Die Soldaten begannen nach einer Weile, Zigaretten auszupacken, und einer – der, der sie angesprochen hatte, als sie auf dem Boden lag – bot ihr sogar eine an, was sie dankend annahm. Es war seltsam, die Zigarette nicht in den eigenen Händen halten zu können, doch der Geschmack war eine Wohltat nach drei Wochen in dem Munitionsbunker mit nichts anderem als Wasser und unregelmäßigen Einheitsmahlzeiten.
    »Sie wollen mir nicht sagen, wohin Sie mich bringen?«, fragte Veronika schließlich.
    »Nein«, antwortete Schenk, der Unteroffizier.
    »Und wo wir herkommen?«
    Die Soldaten sahen sich unschlüssig und überrascht an; Veronika schloss daraus, dass ihnen bisher nicht klar gewesen war, wie wenig ihre Gefangene wusste.
    Schließlich jedoch schüttelte Schenk den Kopf. Veronika lehnte sich enttäuscht zurück und wartete gespannt darauf, dass diese unangenehme, kalte Fahrt endlich ihr Ende nehmen würde.
    Die Fahrzeit schätzte sie auf ungefähr eine Stunde, von der etwa die Hälfte auf eine kurvenlose Autobahn entfiel und die andereHälfte auf unruhigen Stadtverkehr. Schließlich hielt der LKW an. Die Feldjäger standen auf und streckten sich geräuschvoll, anscheinend ebenso steif geworden wie

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