Schattenkrieg
aus dem mörderischen Pfeilhagel geschafft.
Bruce MacRoberts hatte richtig entschieden. Mehr Männer wären gestorben, wenn er den Befehl nicht gegeben hätte. Dennoch hatte er sich damit den Hass der Helvetier und auch vieler anderen Gallier eingehandelt. Noch heute waren die Schotten ziemlich unbeliebt bei den gallischen Stämmen. Ronan würde das ausnutzen müssen, um die nötigen Stimmen für diesen Cintorix zu sammeln. Magnus selbst hatte jedoch den Sinn jenes Befehls verstanden und keinen Groll gegen den Heerführer gehegt, nur ein Beispiel für seine Größe. Im Rat war er wie Ronan ein kühler Kopf gewesen, vernünftig und kompromissbereit, nur dann stur, wenn er Dummheit oder – schlimmer noch – Intrige im Taktieren der anderen Ratsmitglieder gerochen hatte. Er war hart, gerecht und menschlich gewesen – drei Eigenschaften, die nur selten in einem Menschen vereint waren.
»Männer und Frauen!«, rief eine kräftige Stimme. »Brüder und Schwestern!« Der Druide Markus, ein stattlicher Mann in mittleren Jahren, das rote Kopfhaar und den Bart zu Zöpfen geflochten, trat vor den Scheiterhaufen. »Wir sind hier versammelt, um einem ganz Großen unseres Volkes die letzte Ehre zu erweisen. Wir trauern um Magnus Jotunheim, ein Druide im Zeichen der Linde. Er hat einen ehrenvollen Tod gefunden. Bis zu seinem letzten Atemzug hat er unser Land und unser Volk gegen unsere Widersacher verteidigt.«
»Ehre und Stärke!«, rief jemand.
Die ganze Versammlung stimmte ein. »EHRE UND STÄRKE!!!«, erklang es aus hundert Mündern. Nur Ronan blieb stumm. Ihm gefiel dieser Spruch nicht, er klang zu sehr nach den ewig kriegführenden Römern.
»Wer war er, dieser Magnus Jotunheim?«, rief der Sprecher. »Er kam aus der Außenwelt, aus unserem Heimatland, der Schweiz, und wie die meisten von draußen war er ahnungslos und unbeholfen. Aufgrund seiner Körpergröße gab ihm die Versammlungden Namen Magnus und den Beinamen Jotunheim, nachdem er sich uns angeschlossen hatte. Doch bald machte er sich einen Namen als gerechter Richter, schnell geliebt von seinen Gefolgsleuten, bald gefürchtet von seinen Feinden. Im Krieg gegen die Schatten kämpfte er im Mittelpunkt der Schlacht und erlangte Ehre durch Stärke.«
»EHRE UND STÄRKE!«, rief die Versammlung.
»Als einige Jahre später Häuptling Alarix starb, war es Magnus Jotunheim, der die Streitigkeiten mit dem großen Helveticus beilegte. Er half ihm, den abgesplitterten Stamm wieder anzugliedern, und wurde zur rechten Hand des Häuptlings. Sein Wirken veränderte das ganze Jotunheimen! Jotunheimen – die Heimat der Riesen. Und welch Riese war dieser Magnus Jotunheim für unser Volk!«
»EHRE UND STÄRKE!«
»Magnus Jotunheim, lange hast du dich den Stimmen deiner Ahnen widersetzt, lange den alten Hass unterdrückt, mit dem sie uns Druiden belasten. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass du jemals Schwäche gezeigt und ihrem Zorn freien Lauf gelassen hättest. Doch nun ist das vorbei. Ich schicke dich zu ihnen, in den Kreis deiner Vorfahren. Mögest du nun, da du selbst gestorben bist, in Friede aufgenommen werden.«
Er schleuderte die Fackel auf den Scheiterhaufen. Nacheinander zogen die engsten Freunde und Familienangehörigen daran vorbei und warfen ihre Fackeln dazu. Das aufgeschichtete Reisig fing schnell Feuer, und bald verschwand der Leichnam hinter den aufzüngelnden Flammen.
Eine andere Stimme drang aus dem Hain, eine alte, tiefe Frauenstimme in gemessenem Tonfall: »Nun ist es soweit. Magnus Jotunheim verlässt die Welt der Lebenden und reist in das Reich der Toten. Deshalb musst auch du den heiligen Hain der Lebenden verlassen.«
Ronan blickte sich um. Eine Druidin stand vor einer Linde von enormen Ausmaßen, die Hände zur Beschwörung erhoben.
Sie schrie: »Hinfort mit dir! Ich verbanne dich!«
Der Baum begann zu zittern, zuerst unmerklich, dann aber schnell stärker werdend. Bald wurden knackende Geräusche laut. Um den mächtigen Stamm der Linde sah Ronan zuckende Wurzeln, die sich wie Schlangen über den Boden wanden. Der Baum wuchs aus der Erde, sich auf seinen eigenen Wurzeln aufrichtend. Der alte Stamm stöhnte und ächzte. Mit einem lauten, berstenden Knall riss sich die letzte der Wurzeln aus dem Boden.
»Hinaus aus dem heiligen Hain! Mögest du deinen eigenen Frieden finden draußen im Wald! Hier hast du nichts mehr verloren!«
Der Boden zitterte, als die Linde auf ihren eigenen Wurzeln zu laufen begann. Äste rissen und barsten, als
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