Schattenkrieg
sich der Baum einen Weg durch den Hain brach. Die Druidin und mit ihr die Versammlung folgten ihm. Große Tropfen aus Harz fielen um die Menschen herum zu Boden – die Wunden, die das Fortgehen der Linde gerissen hatte, bluteten, der Wald beweinte den Verlust auf seine eigene stille Art.
Ein weiterer Veteran des Kriegszugs ist nicht mehr,
begriff Ronan schwermütig.
Schließlich erreichte die Linde eine Lichtung, die ein gefallener Baum gerissen hatte.
»Hier mögest du nun bleiben und Wurzeln schlagen«, fuhr die Druidin mit sanfter werdender Stimme fort. »Keiner soll dich je von diesem Ort vertreiben. Mögest du zur Ruhe kommen und Frieden finden, bis dich einst dein Tod mit Magnus Jotunheim aufs neue vereinigt.«
Und der Baum tat, wie ihm geheißen. Knackend und malmend gruben sich seine Wurzeln in das Erdreich, langsam senkte sich sein Stamm auf den erdigen Waldboden. Ein letztes Zittern ging durch seine Krone; dann blieb er still. Nur die aufgewühlte Erde am Fuße des Stammes ließ noch darauf schließen, was sich ereignet hatte.
»Ich verneige mich vor dir, Herr des Waldes.« Die Druidin verbeugte sich, und die Versammlung folgte ihrem Beispiel, verneigtesich vor diesem Baum, der in diesem Moment an die Stelle aller Bäume des Waldes trat.
Die Zeremonie hielt inne und überließ die Trauernden ihren eigenen Gedanken. Niemand rührte sich von der Stelle; viele beteten lautlos, andere starrten wortlos ins Leere. Als Abschluss der Totenfeier begann eine junge Frau mit kristallklarer Stimme zu singen.
Habt keine Angst,’s ist nicht so schlimm,
Weine nicht um mich!
Ich spür’ den Ruf schon lange
Den Ruf des Herrn, des Totenfürsts!
Hab’ mein Leben gelebt und viel vollbracht,
Es war’ne gute Zeit.
So ergreif’ ich Dagdas Hand, und ohne Reue
Folge ich ihm in sein Totenreich.
Ich bitt’ dich nur, vergiss mich nicht,
Bewahr mich tief im Herzen!
Denn wenn ich auch den Tod nicht fürcht’ ,
so fürcht’ ich eu’r Vergessen.
Einst wird die Erinnerung verblassen,
Ich wünscht’ mir nur, es wär noch nicht soweit.
Auch ich versprech’ , werd’ nicht vergessen,
Werd’ auf euch warten, will geduldig sein.
Nun heb den Kopf, steh aufrecht und gerade
Die Erinnerung sei keine Last!
Wisch dir die Tränen aus den Augen
Und lächle! Denn ich lächle auch.
Nun geh, und leb dein eigens Leben,
Mutig schreit voran!
Und wenn ein andrer einst dies Liedlein singst,
Werden wir uns wiedersehn.
Eine Träne floss Ronans Wange hinab. Was war, wenn die Toten sich wirklich nach dem Andenken ihrer Nachkommen sehnten? Er musste an Trollstigen denken, an den Tag nach der Schlacht, als sie die Toten begraben hatten. Niemand hatte die Gefallenen gezählt, doch es waren entsetzlich viele gewesen – Tausende von Fomorern hatten bei der Erstürmung der Mauern ihr Leben gegeben, und in den darauffolgenden erbitterten Kämpfen auf den Wällen und am Glockenturm waren auch die Verteidiger blutig zur Ader gelassen worden. Teilweise waren ganze Familien ausgelöscht worden, Seite an Seite waren Vater, Sohn, Ehefrau und vielleicht noch der Großvater gestorben beim Ansturm des Feindes. Viele Gräber waren ohne Schmuck geblieben, weil es niemanden mehr gegeben hatte, der sie für die Toten geschmückt hätte. Was empfanden diese Toten, an die sich keiner mehr erinnerte? Waren
sie
die flüsternden, hasserfüllten Stimmen, die jeder Druide hörte, wenn er sich der Berserkerwut näherte? Es lief ihm eiskalt den Rücken hinunter, wenn er daran dachte,
wie viele
leere Grabsteine sie dort oben zurückgelassen hatten.
Die Versammlung begann sich aufzulösen. Viele würden nun im Wald nach Bäumen suchen, die nahestehende Verstorbene repräsentierten, und dort weinen oder beten. Ronan erinnerte sich an seinen Auftrag. Gemeinsam mit Briand machte er sich auf die Suche nach dem Druiden Cintorix.
BATURIX
Allobroga in helvetischem Siedlungsgebiet, Norwegen
Donnerstag, 05. November 1998
Die Innenwelt
»Baturix«, stöhnte das blonde Mädchen, das auf ihm saß. Ihre Brüste wippten im Rhythmus der Stöße vor seinen Augen auf und ab, die Brustwarzen geschwollen und dunkel. Ihr Atmen wurde gepresster, keuchender. »Baturix!«, stöhnte sie noch einmal. Sie war kurz vor ihrem Höhepunkt, und auch Baturix würde nicht mehr lange brauchen. Er hatte seine Hände um ihre Hüften gelegt, um sie härter nehmen zu können, genau so, wie sie es mochte. »Baturix!«, rief sie noch einmal.
Etwas in ihrer
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