Schattenkrieg
Innenweltbekleidung anzogen. Dies musste
hier,
in der Außenwelt geschehen – nur Gegenstände, die drinnen hergestellt waren, konnten auf der Passage mitgenommen werden, und da dies für ihre momentanen Kleider nicht galt, würden sie ansonsten
nackt
in der Innenwelt erscheinen.
Da es hier im Landesinneren um einiges kälter war als zu Hause, begann Ronan mit langer Wollunterwäsche, über die er einelederne Hose zog. Für den Oberköper hatte er ein Wams aus Wolle sowie eine Fellweste. Schließlich kamen noch die Stiefel, Ledergamaschen und Felljacke dazu. Mit geübten Händen flochten sie sich gegenseitig die Haare zu Zöpfen.
»Die Verwandlung ist vollendet«, kommentierte Henrik lächelnd, als sie in die Halle zurückkehrten. »Ich bin jedes Mal von neuem beeindruckt.«
Ronan konnte ihm nur voll und ganz zustimmen. Es war immer wieder erstaunlich, wie sehr das Wohlbefinden eines Menschen von seiner Kleidung abhing. Sie verabschiedeten sich von dem Priester, dann bereiteten sie sich auf den Wechsel in die Innenwelt vor.
Ronan ging vor einem Bildnis des Lugh in die Knie. Der Sonnengott war auf einem Streitwagen stehend abgebildet, verwickelt in einen Kampf gegen Schatten und Fomorer. Daneben stand eine Eiche, an der seine Frau lehnte, die Göttin Bormana, die ein Kind an der Hand hielt und in die Ferne blickte.
Nachdem er ein kurzes Gebet gesprochen hatte, öffnete er sich der Magie, die er vorhin ausgeblendet hatte. Briands Präsenz war bereits in Auflösung begriffen, und so ließ sich Ronan tiefer in den Strom sinken. Er erfühlte Henriks chaotische Aura und bald darauf auch die Anwesenheit eines weiteren Wesens, ein noch junger, schwacher Wächtergeist, der im Gewölbe der Halle ruhte. Er spürte den Wind, der um den Turm wehte, und die Fledermäuse, die darin einen Unterschlupf gefunden hatten. Ronan lenkte seine Gedanken auf die Innenwelt. Nebelschwaden quollen aus dem Boden und hüllten ihn ein, bis nichts mehr zu sehen war außer dem bleichen Dunst, nichts mehr zu hören außer seinem eigenen ruhigen Atem, nichts mehr zu spüren außer dem Strom der Magie …
Die Totenzeremonie für Magnus Jotunheim fand am Abend statt, inmitten des Kreuzwaldes. Der Name rührte von der Form des Waldes her: Vier Täler berührten sich am südlichen Fuß des Glittertinds, auf einer Höhe, auf der Wald eigentlich nichts mehr verlorenhatte. Vier kleinere sakrale Orte bewachten die Taleingänge, während sich das eigentliche Heiligtum im Zentrum des Kreuzes befand. Hier war der heilige Hain der helvetischen Druiden, umgeben von jahrhundertealten Bäumen und den größten Bergen des Landes. Die Macht, die der Ort ausstrahlte, war enorm. Es war gut möglich, dass hier die stärksten Geister Skandinaviens schlummerten. Eine passendere Stelle für einen Steinkreis konnte sich Ronan kaum vorstellen.
Im heiligen Hain hatte sich bereits eine große Anzahl Menschen versammelt. Ronan zählte mehr als hundert, ungefähr zwanzig davon Druiden. Er fragte sich, welcher davon die schwierige Aufgabe übernehmen würde, in Magnus Jotunheims Fußstapfen zu treten. Magnus hatte
große
Spuren hinterlassen …
Der Steinkreis bestand aus knapp zwanzig etwa drei Schritt hohen, eiförmigen Menhiren. Darin befand sich der Altar, gebildet aus drei weiteren, zwei davon auf ihren Seiten liegend, der dritte quer darüber. Die Altarsteine waren mit römischen Schriftzeichen übersät. Der Anblick erboste Ronan, war doch die keltische Tradition eine rein mündliche. Doch dies war der Einfluss der alten Römer, den er, wenn auch murrend, akzeptieren musste. Daneben war ein großer Scheiterhaufen aufgeschichtet, auf dem der Leichnam Magnus Jotunheims aufgebahrt lag.
Magnus Jotunheims Totenzeremonie.
Während sie warteten, rief er sich betrübt den Mann ins Gedächtnis zurück, dem hier die letzte Ehre erwiesen wurde.
Sie waren ungefähr gleich alt gewesen. Ronan hatte Magnus das erste Mal vor zehn Jahren kennengelernt, nach der Schlacht am Jostedalsbreen. Dem Helvetier hatten die Kämpfe übel mitgespielt. Sein Schildwall hatte das Pech gehabt, den Angriff der feindlichen Kavallerie abzubekommen. Als seine Formation völlig aufgelöst war und die Reiter blutige Ernte unter seinen Männern hielten, hatte Bruce MacRoberts die Bogenschützen auf sie zielen lassen. In der Folge dieses Befehls war zwar nahezu die komplette gegnerische Reiterei vernichtet und damit die Schlacht gewonnenworden, doch von Magnus’ Männern hatte es kaum einer lebend
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