Schattenkrieger: Roman (German Edition)
war es einerlei. Man musste töten, oder man wurde selbst getötet.
Sein Gegner atmete nicht einmal schneller. Allerdings biss der Mann grimmig die Zähne zusammen und runzelte konzentriert die Stirn. Kayne parierte einen Hieb, wich einen Schritt zurück und fluchte, weil er beinahe über einen toten Söldner gestolpert wäre. Der goldene Meisterkämpfer ging sofort wieder auf ihn los.
Konzentration. Das war der Schlüssel. Man musste beobachten, wie sich der Gegner bewegte, jede Einzelheit und jede Regung im Gesicht bewerten. Jeder Kämpfer hatte seine Gewohnheiten, und was er tat, kündigte sich in den Augen und dem Spiel der Muskeln an.
Das tanzende Langschwert verfehlte seinen Hals um Haaresbreite. Kayne beobachtete es genau und wartete auf eine Gelegenheit. Da war sie, fast nicht wahrnehmbar. Der Gegner hatte die Waffe um zwei Fingerbreit zu weit gezogen. Nun drehte der alte Hochländer das Großschwert herum und ließ die Klinge einen vollen Kreis beschreiben. Sie grub sich tief in den Arm des Gegners.
Dieses Mal musste der Krieger mit den blonden Haaren zurückweichen. »Wer bist du?«, fragte er. Aus der tiefen Schnittwunde im Arm quoll das Blut.
»Nur jemand, der seine Arbeit erledigt.« Dankbar ergriff Kayne die Gelegenheit, etwas Luft zu schöpfen.
Die Antwort schien dem Gegner zu missfallen. »Bist du ein Söldner wie die anderen? Das enttäuscht mich.«
Der Barbar zuckte mit den Achseln. »Letzten Endes ist Gold ein ebenso guter Grund zum Kämpfen wie alle anderen. Außerdem ist das ehrlicher als all die vorgeschobenen, ach so edlen Beweggründe.«
Die blauen Augen blickten verärgert. »Kommt es dir wirklich nur auf das Gold an? Was ist mit Loyalität? Ehre? Pflichtgefühl?«
Brodar Kayne erwiderte den vorwurfsvollen Blick. »Loyalität, Ehre und Pflichtgefühl, ja? Ich kann mir vorstellen, dass du einiges darüber weißt. Sicher, das sind edle Motive, solange du auf der richtigen Seite stehst. Damit kann sich ein Mann gut fühlen, während er die schrecklichsten Dinge tut. Die Schwachen können sich solche hehren Ideale leider nicht leisten. Sie haben zu viel damit zu tun, an Türen zu klopfen, während Männer wie du an der hohen Tafel sitzen, über die Ehre nachdenken und sich überlegen, wie viel wertvoller sie dadurch sind.«
Zu seiner Überraschung schienen die Worte den Schwertkämpfer so schwer zu treffen wie seine Klinge. Zweifel zeigten sich in dem markanten Gesicht, und jetzt schienen die blauen Augen traurig. »Was ist mit der Liebe?«, fragte er leise. Ringsum gingen die Kämpfe weiter, aber aus reinem Zufall, oder vielleicht auch aus Respekt den beiden vorzüglichen Kämpfern gegenüber, ließen alle anderen sie in Ruhe.
Brodar Kayne vertrieb blinzelnd die Schweißtropfen aus den Augen. »Liebe? Nein, es ist keine Schande, wenn ein Mann für die Liebe kämpft.« Er beobachtete das beunruhigte Gesicht seines Gegners. »Und ich würde sagen, wenn du für die Liebe kämpfst, dann bist du ein besserer Mann, als ich anfangs dachte.«
Der goldene Krieger nickte langsam. »Danke.« Es klang so, als meinte er es ernst.
Kayne blickte zum Himmel hinauf. Bald ging die Sonne unter, und der Abend würde kommen. Er seufzte schwer. »Es wird spät.«
»Dann sollten wir uns beeilen und diese Sache zu Ende bringen.«
Nun war es an Kayne zu nicken. Als sein Gegner vorstieß, bemerkte der alte Barbar jedoch erschrocken, dass dessen Armwunde kaum noch blutete. Es hätte eine hässliche Wunde sein sollen, die sich auf Dauer zu seinen Gunsten auswirken musste, doch anscheinend wurde dieser Augmentor nicht müde, und er blutete auch nicht mehr.
Der alte Barbar fluchte lautlos in sich hinein. Er hatte das Gefühl, dass der Kampf nicht gut enden würde.
Noch ein paar Minuten konnte er sich halten, dann ließ ihn sein Körper im Stich. Er war nicht mehr jung, das war die bittere Wahrheit, und er konnte nicht mehr lange durchhalten. Das Großschwert lag bleischwer in seinen Händen. Er wand sich, duckte sich und parierte, und mit jeder Sekunde, die verging, rückte der Augenblick näher, in dem er eine Winzigkeit zu spät reagieren würde.
Dann geschah es. Er stolperte, und sein Angreifer war über ihm. Dieses Mal, das wusste er, würde er nicht schnell genug parieren können.
Das war’s, dachte er, als die Klinge herabsauste. Alles in allem hast du dich wacker geschlagen. Er machte sich auf das Unausweichliche gefasst.
Auf einmal aber schwankte der Schwertkämpfer, und in seiner Miene zeigte
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