Schattenkrieger: Roman (German Edition)
sich Verwirrung. Kayne war kein Mann, der sein Glück lange hinterfragte, und machte Anstalten, seinen Vorteil sofort zu nutzen. In diesem Augenblick explodierte in der Ferne die Spitze des Obelisken, und ein goldenes Licht breitete sich aus. Er schirmte die Augen ab und sah erstaunt zu, wie Strahlen in der Farbe der Morgendämmerung nach oben zum Himmel schossen.
Ein würgendes Geräusch lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Gegner. Der Mann presste sich mit erschrocken geweiteten Augen eine Hand auf die Brust. Das Langschwert rutschte ihm aus den Fingern, dann sank er auf die Knie, schwankte hin und her und schnappte verzweifelt nach Luft wie ein Ertrinkender.
Kayne zögerte, ließ das Großschwert sinken. Auch die anderen Männer hatten die Kämpfe eingestellt und starrten erstaunt den Obelisken an. Ob der Bursche tatsächlich Erfolg hatte?
Am Rande seines Gesichtsfelds bemerkte er eine Bewegung und drehte den Kopf ein wenig herum. Ein Geistfalke stürzte vom Himmel herab und krachte in einer Wolke aus Federn auf den Boden. Ein Stück entfernt stellte ein weiterer Geistfalke seinen Patrouillenflug ein, fiel wie ein Stein und verschwand hinter einer Baumgruppe.
Direkt vor ihm gab es einen dumpfen Aufprall. Der Gegner war zusammengebrochen, er lag jetzt auf dem Bauch und riss große Grasbüschel aus, während er sich über den Boden schleppte. Kayne erkannte die Qualen des Mannes in dessen blauen Augen und wandte sich ab. Was ihm auch zugestoßen war, auf diese Weise sollte ein Krieger, der so geschickt mit dem Schwert umzugehen verstand, nicht zugrunde gehen.
Brodar Kayne kam der Gedanke, dem Leiden des Mannes ein Ende zu setzen. Er ging zu der tragischen Gestalt hinüber und hob das Großschwert. Der Mann blickte zu ihm hoch und griff nach etwas, das er am Gürtel trug. Mit einer letzten großen Anstrengung flüsterte er den Namen einer Frau, schauderte und schloss die Augen. Ein letztes Mal atmete er aus, dann blieb er still liegen.
Er hatte etwas in der Hand. Kayne kniete nieder und untersuchte das seltsame Objekt. Es handelte sich um einen Streifen edlen Stoffs, wahrscheinlich Seide. Er roch leicht nach Jasmin und war sicherlich einige Zepter wert. Kayne zögerte einen Augenblick, dann bemerkte er den goldenen Ring am Finger des Mannes. Er streifte ihn ab und staunte über die Größe des eingearbeiteten Smaragds. Auf der Innenseite war ein großes L eingraviert. Zweifellos war das Schmuckstück ein kleines Vermögen wert.
Abermals zögerte er. Schließlich schob er vorsichtig den Ring wieder auf den Finger des Toten und wickelte das Tuch darum. Er legte die Hände des Kriegers auf dessen Brust und richtete dessen Langschwert neben dem Leichnam aus. Es war keine große Geste und hielt einen Söldner nicht unbedingt davon ab, den Ring zu entdecken, sobald die Plünderungen begannen, aber dies war das Beste, was er tun konnte.
Er stützte sich auf sein eigenes Großschwert und atmete tief durch, während er das Schlachtfeld überblickte. Beide Seiten hatten entsetzliche Verluste erlitten. Er schätzte, dass mehr Kämpfer am Boden lagen als auf den Beinen standen. Nach und nach wurden die Verteidiger auf den gefallenen Schwertkämpfer aufmerksam. Er bemerkte Schrecken, plötzlich aufkeimende Angst und Unsicherheit in den Mienen der verbliebenen Wächter. Die Milizionäre sahen aus, als würden sie sich gleich in die Hosen machen.
Kayne erkannte, dass der Gefallene anscheinend eine Art Kommandant gewesen war, doch es war nicht nur sein Tod, der in der Schlacht nun den Ausschlag gab. Fünfzig Schritt entfernt kämpfte General D’rak gegen den großen Kerl, der mit seinem glühenden Hammer unzählige Gegner niedergemacht hatte. Der Augmentor starrte verwirrt die Waffe an, die den magischen Glanz verloren hatte. Er schlug nach dem sumnischen General, der den Kriegshammer zwischen seinen seltsam gekrümmten Schwertern abfing. Wie ein tanzender Derwisch wirbelte er herum, entfernte sich von dem größeren Mann, stieß mit unglaublicher Geschwindigkeit wieder vor und hieb mit den gefährlichen Krummsäbeln auf ihn ein. In einer Blutfontäne ging der Augmentor zu Boden, der Kriegshammer glitt ihm aus den gelähmten Händen. Die Sumnier in der Nähe stießen laute Jubelrufe aus.
Brodar Kayne beobachtete weiter das Schlachtfeld. Überall waren die Angreifer nun im Vorteil. Für solche Umschwünge bekam man einen Blick, wenn man eine Reihe von Kämpfen überlebt hatte. Das Schlachtenglück wendete sich jetzt.
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