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Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Titel: Schattenkrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luke Scull
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gefrorenen See überquert hatten, war aus dem Himmel herabgestoßen und hatte Thorne mit seinen riesigen Krallen zerfleischt. Die anderen hatten den Dämon sofort eingekreist, das Ungeheuer war ihren Angriffen jedoch mit erschreckender Gewandtheit ausgewichen. Ein Mitglied des Rudels, ein weißer Berglöwe, den sie nicht kannte, war dem Gegner auf den Rücken gesprungen und hatte ihm die Krallen in die Schuppenhaut geschlagen. Das Wesen war aufgeflogen und hatte sich die transzendierte große Katze vom Rücken gerissen und zerfleischt, während die anderen von unten zugesehen hatten.
    Daraufhin hatten sich die Brüder zurückgezogen. Diesen Kampf konnten sie unmöglich gewinnen. Thorne hatte irgendwie Schritt gehalten und meilenweit eine klebrige rote Fährte im Schnee hinterlassen. Jetzt waren seine Kräfte jedoch völlig erschöpft. Sein schwindender Geist umwölkte sich, und die Bilder wurden unverständlich.
    Yllandris zog die Hand rasch zurück und lauschte den letzten Atemzügen, die rasselnd den mächtigen Rumpf erbeben ließen. Sie hatten zwei Brüder verloren. Das musste der König erfahren.
    Als sich umdrehte, bemerkte sie die kleine Schar von Neugierigen, die sich hinter ihr gesammelt hatte. Mit Fell bekleidete Männer und Frauen starrten sie an, alle waren viel bleicher als sie selbst. Die Männer trugen die Haare offen und lang, in den Bärten hafteten Schneeflocken. Die Frauen hatten sich Zöpfe geflochten. Viele hatten um Hälse oder Handgelenke kleine Schmuckstücke aus Knochen und Kupfer gelegt. Nicht wenige betrachteten Yllandris mit kaum verhohlener Feindseligkeit.
    Nur zu, hasst mich meinetwegen, dachte sie und schenkte ihnen ein spöttisches Lachen. Ich bin jung und schön und eine Hexe, die in der Gunst des Königs steht. Eure Männer würden nur zu gern mit mir das Lager teilen, und das wisst ihr genau. Ich werde die Königin sein. Keine von euch wird irgendetwas Bedeutendes erreichen, ihr hässlichen Weiber.
    »Hole einen Heiler«, befahl sie dem Graubart, der ihr am nächsten stand. »Ihr anderen, besorgt eine Trage. Thorne muss zum Großen Langhaus gebracht werden. Bewegt eure Füße, ehe ich eine Flamme darunter anzünde.«
    In dem sicheren Wissen, dass ihre Befehle befolgt wurden, ließ sie die Leute stehen und lief zum Großen Langhaus. Ob die versammelten Hochländer sie begehrten oder verachteten, je nachdem, was sie zwischen den Beinen hatten, am stärksten war die Angst vor ihr. Außerdem waren die Brüder ihre heiligen Beschützer. Niemand würde es wagen, den Schamanen zu verärgern, indem er eins der Tiere entehrte.
    Unablässig fiel der Schnee. Yllandris vergewisserte sich, dass niemand zusah, dann zog sie sich den dünnen Schal enger um die Schultern.

    Im Gegensatz zu den meisten anderen Gebäuden in Herzstein war das Große Langhaus ein riesiges, weitläufiges Bauwerk. Höher als alle anderen stand es im Zentrum des Ortes und blickte auf sein Reich hinab wie die großen Rudelführer der Warge, die sich zwischen den höchsten Gipfeln herumtrieben. Dort hielt sich auch der Schamane auf, wenn er nicht auf der Jagd war. Ihr Magierfürst hatte sich immer mehr aus der Welt der Menschen zurückgezogen und hauste lieber allein unter den Sternen, sofern er sich überhaupt einmal blicken ließ. Welche Tragödie ihn auch in grauer Vorzeit getroffen hatte, sie hatte ihn dazu getrieben, die Menschen zu meiden, und allmählich verlor er sogar seine eigene Menschlichkeit.
    Ehe sie eintrat, blieb Yllandris einen Augenblick stehen und betrachtete das Große Langhaus. Wenn sie sich dem riesigen Gebäude näherte, verspürte sie immer einen aufgeregten Schauder. Hier im entlegenen Norden der Welt bildete es das Machtzentrum ihres Volks.
    Schon immer hatte sie alles bewundert, was Kraft besaß. Damals, als sie, noch ein kleines Kind, auf dem Boden ihrer Hütte über den geschundenen Körper ihrer Mutter gestolpert war, als sie dem Blick ihres Vaters begegnete und begriff, was er getan hatte, in jenem schrecklichen, unauslöschlich in ihre Erinnerungen eingebrannten Moment, als er es zu weit getrieben hatte, da hatte sie sich geschworen, um jeden Preis der Welt Macht zu gewinnen. Macht war das Einzige, worauf es wirklich ankam.
    Ihr Vater war für sein Verbrechen verstoßen worden, und sie hatte sich als Waisenkind durchgeschlagen, Nahrung und Unterschlupf gesucht, wo sich eben etwas ergab. Die Hohen Klippen waren ein hartes, unversöhnliches Land, und ihr Lebensweg hätte eine viel dunklere

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