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Schattenkuss

Schattenkuss

Titel: Schattenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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öffentlichen Telefonzelle. Neben dem Rathaus wurde sie fündig. Von dort rief sie Benno an. Er war hörbar erleichtert, dass sie sich meldete. Der Klang seiner Stimme beruhigte Lena ein bisschen. Kleinlaut berichtete sie von dem vergeblichen Versuch, ihn gestern Nacht zu erreichen, und erzählte, dass sie stattdessen Petra am Telefon gehabt hatte. Doch Benno schien das Ganze keine allzu großen Sorgen zu bereiten. Er freute sich, dass Lena Sehnsucht nach ihm hatte. »Vermutlich ist das alles halb so wild und Petra hat gar nicht gemerkt, von wem der Anruf kam. Jedenfalls hat sie heute Morgen kein Wort darüber verloren. Falls sie mich doch darauf anspricht, dann fällt mir schon irgendwas ein. Und in Zukunft passe ich auf, dass ich das Handy immer bei mir trage. In Ordnung?« Im Hintergrund rief jemand nach ihm. Benno wurde gebraucht. Er sagte, er würde sich melden. Leider konnten sie sich heute Abend nicht treffen, denn Petras Mutter hatte Geburtstag. Und bei dieser Feier durfte er nicht fehlen.
    Lena lehnte noch an der Telefonsäule und spürte den Gefühlen in sich nach, als Florian und Daniel plötzlich vor ihr auftauchten.
    »Ist dein Handy kaputt?«, fragte Florian.
    »Ne. Hab ich nur daheim vergessen.« Lena hatte nicht die Absicht, das Thema zu vertiefen. »Sagt mal, wisst ihr, ob Odakota ab und zu verreist?«
    Florian zog die Schultern hoch. »Keine Ahnung. Wieso?«
    Sie berichtete von der Warnung seiner Oma, von der Internetrecherche mit Daniel, dem Brief, den Oliver an Ulrike geschrieben hatte und dem ominösen Satz Wer keine Angst hat, hat keine Fantasie . »Vielleicht ist Ulrike nie weggelaufen. Vielleicht liegt ihre Leiche seit zwanzig Jahren im Wäldchen vergraben.«
    Daniel schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass Odakota verreist. Er ist immer da. Man sieht ihn ständig. Außerdem passt Reisen nicht in sein Lebenskonzept. Es sei denn, er würde per Anhalter fahren. Aber nach London oder Malaga … hm? Dafür bräuchte er sicher Monate und dann wäre hier aufgefallen, dass er weg ist.«
    Lena griff nach dem Rad. »Ich frage ihn jetzt einfach selbst.«
    »Aber nicht allein!« Daniels Hand legte sich auf den Lenker. »Du glaubst, er hat deine Tante umgebracht. Da kannst du doch nicht alleine zu ihm fahren. Ich komme mit.«
    Spontan wollte Lena widersprechen. Doch dann besann sie sich und nickte. Falls Odakota wirklich gefährlich war, war es besser, sie waren zu zweit.
    Sie holten den Camcorder aus Omas Haus und fuhren los. Odakotas Hütte lag am Waldrand. Eigentlich war es keine Hütte, sondern ein Blockhaus mit spitzem Giebel und Schindeldach, umgeben von einem windschiefen Holzlattenzaun. Das Gartentor stand offen. Daniel und Lena fuhren in den Hof und folgten einem schlammigen Pfad bis zum Haus. Es sah schäbig aus, das Holz war verwittert und ausgeblichen, von den Fensterläden blätterte die Farbe.
    Auf der Veranda neben der Haustür bewegte sich etwas. Odakotas Husky. Den hatte Lena ganz vergessen. Tadi stand auf, spitzte die Ohren und kam leise knurrend auf Daniel und sie zu.
    »Tadi. Odakota.« Die Stimme kam von der Veranda. Auf einer Bank, die mit Ketten befestigt an den Dachbalken hing, schaukelte Odakota. Tadi blieb gehorsam in einiger Entfernung von den Besuchern stehen, während Odakota sich erhob. Er kam die Stufen hinunter auf den Kiesweg und musterte sie mit finsterem Blick.
    »Was bedeutet das: Odakota?«, fragte Lena vorsichtig.
    »Es ist indianisch und heißt Freund.« Odakotas Haare lagen in wirren Locken um seinen Kopf. Der Bart wucherte auf Wangen und Hals und war sicher seit Monaten nicht gestutzt worden. Freund, überlegte Lena. Er hat Tadi also gesagt, dass wir Freunde sind. Und auch er nennt sich selbst Freund . War das Grund genug, sich nicht vor ihm zu fürchten?
    »Du kommst wegen deiner Tante.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Woher wusste er, wer Lena war und was sie wollte?
    »Du siehst aus wie Ulrike«, sagte er, als hätte er Lenas Gedanken erraten. »Weshalb trägst du ihre Sachen?«
    »Ich drehe einen Film über sie. Was für ein Mensch sie war und weshalb sie weggelaufen ist. Ob sie wirklich in Spanien lebt. Sie waren mit ihr befreundet, deshalb würde ich gerne mit Ihnen reden.« Lena holte den Camcorder aus dem Rucksack.
    »Aha.« Odakota wandte sich ab, gab aber mit einer Ges­te zu verstehen, dass sie ihm folgen sollten. Er ging voran ins Haus.
    Das Erdgeschoss bestand aus einem einzigen großen Raum. Er war Diele, Küche und Wohnzimmer

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