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Schattenkuss

Schattenkuss

Titel: Schattenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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brachte, bedeutete das, dass Odakota Frauen überfiel, vielleicht sogar umbrachte, und zwar nicht irgendwelche, sondern solche, die Ulrike ähnlich sahen. Daraus ergaben sich zwei Fragen: War Ulrike tot und lag vielleicht seit zwanzig Jahren verscharrt im Wäldchen? Und war Lena tatsächlich in Gefahr, weil sie ihrer Tante glich und vor allem weil sie in der Vergangenheit herumstocherte?
    Sie schob den Teller von sich und überlegte, ob sie sich da in etwas hineinsteigerte. Odakota hatte das Mädchen gerettet, das nach dem Volksfest überfallen worden war. Wenn er wirklich verdächtigt worden wäre, der Täter zu sein, dann hätte man ihn angeklagt und vor Gericht gestellt. Wenn es nicht mal für eine Anklage gereicht hatte, dann musste Odakota unschuldig sein.
    Oliver. Oliver Aigner. In Ulrikes Karton mit dem bunten Sammelsurium gab es einen Brief, den ein Oliver geschrieben hatte.
    Lena ging nach oben in Ulrikes Zimmer.
    Der Karton stand noch auf dem Bett, wo sie ihn das letzte Mal hatte stehen lassen. Sie setzte sich, nahm den Deckel ab und suchte den Brief heraus. Er war in Englisch und es war kein Brief, sondern ein Gedicht oder Songtext, wie sie jetzt feststellte.
    It’s been very hard
But it’s getting easier now
Hard times are over, over for a while
The leaves are shining in the sun
And I’m smiling inside
You and I watching each other on a street corner
Cars and buses, planes and people go by
But we don’t care
We want to know
We want to know in each other’s eyes
That hard times are over, over for some time.

Forever, I hope!
Oliver
    Also eines war klar: Dieser Oliver war in Ulrike verknallt gewesen und eigentlich konnte man diesen Text nur so interpretieren: Ulrike hatte Oliver erhört, die Beziehung war aber trotzdem schwierig gewesen.
    Dummerweise stand kein Datum auf dem Zettel. Oliver konnte nur vor ­Mike gewesen sein. Hatte sie seinetwegen Schluss gemacht? Hieß Oliver mit Nachnamen Aigner? War Oliver Odakota? Vom Alter her würde es passen. Hatte er Ulrike aus Eifersucht umgebracht? Würde Mamas Privatdetektiv in Barcelona nichts finden, weil es nichts zu finden gab? Keine Personalakte, kein Fädchen, an dem er ziehen konnte, denn jemand anderes hatte die Karten geschickt, um Ulrikes Familie in der falschen Sicherheit zu wiegen, Ulrike ginge es gut? Dabei hatte sie Altenbrunn nie hinter sich gelassen, jedenfalls nicht weiter als bis zum Wäldchen? Lag sie dort seit zwanzig Jahren begraben? Lena schüttelte den Kopf. Viel zu viele Fragen, auf die es keine Antworten gab. Und was war mit Odakota? War an den Gerüchten etwas dran, dass sein Lebenswandel Buße für eine Schuld war, die er vor langer Zeit auf sich geladen hatte?
    Doch wie hätte er nach Griechenland, Rom und Barcelona, nach Malaga und London kommen sollen? Er gab kein Geld aus, besaß nicht einmal welches. Jedenfalls hatten Florian, Daniel und Rebecca das erzählt. Flugtickets fand man nicht im Abfall. Oder war Odakotas Asketen­dasein vielleicht nur Tarnung?
    Lena nahm den Brief und ging nach unten ins Wohnzimmer, um die Schriften zu vergleichen. Doch die Postkarten lagen nicht mehr auf dem Couchtisch. Steffi musste sie weggeräumt haben. Lena suchte überall, fand sie aber nicht. Hatte Steffi die Karten mit in die Kanzlei genommen, um sie einzuscannen und an diesen Detektiv zu mailen? Der Fragenkatalog für Steffi wurde immer länger.
    Lena ging in ihr Zimmer und stöpselte den Camcorder an den Laptop. Als sie die Sequenz mit der Postkarte aus Barcelona gefunden hatte, fror sie das Bild ein und verglich die Handschrift mit der des Gedichts. Absolut keine Ähnlichkeit. Vielleicht bei der ersten? Sie ließ den Film schnell zurücklaufen, bis die Karte aus Kreta erschien. Eine vage Ähnlichkeit. Lena schaltete den Laptop aus. Wenn Odakota wirklich so schlau war, mit den Postkarten zu suggerieren, Ulrike sei am Leben, dann war er ganz sicher auch so clever, seine Schrift zu verstellen.
    Als Lena den Brief zurück in die Schachtel legte, fiel ihr ein kleines rotes Lackschächtelchen auf, das zwischen den Zetteln und Fotos hervorlugte. Neugierig nahm sie es heraus und sah hinein. Ein Stein lag darin. Er hatte einen braunen Fleck. Unter ihm kam eine Klappkarte zum Vorschein. Ganz weiß mit einem rostroten Fleck. Der Text auf der Innenseite ließ Lena erschauern. Wer keine Angst hat, hat keine Fantasie!

19
    Es war beinahe Mitternacht, als sie zu Bett ging. Von Steffi weit und breit keine Spur, nicht mal eine SMS.
    Seufzend rollte Lena

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