Schattenkuss
nur meine Sachen.« Sie ging in ihr Zimmer und zog das Handy aus der Hosentasche. Keine Nachricht von Benno. Verärgert schaltete Lena das Handy aus und legte es auf den Tisch. Den Rest des Abends wollte sie sich nicht auch noch verderben lassen.
Rasch stopfte sie den Geldbeutel in den Rucksack, griff nach einem Sweatshirt und verließ ihr Zimmer. Daniel, Rebecca und Florian standen schon an der Haustür. Lena steckte den Kopf zur Küchentür herein. Ihre Eltern verstummten mitten im Gespräch. Steffis Augen waren gerötet, als hätte sie geweint. »Ich fahr mit Freunden ins Kino. Wird spät werden.« Lena machte auf dem Absatz kehrt und zog die Tür zu. »Kann losgehen.«
Daniel ging voran. Der Himmel hatte sich weiter verfinstert, ein seltsames Zwielicht herrschte. Auf dem Weg zum Gartentürchen lag etwas Dunkles. Daniel stoppte, blieb einen Augenblick stehen, wie erstarrt, und fuhr dann herum. Er legte Lena, die ein Stück hinter ihm gegangen war und ihn nun erreichte, den Arm um die Schulter und schob sie zur Seite. »Besser, du siehst das nicht.«
Der Schreck fühlte sich kalt an. Wie eine Welle aus Eis, die Lena überrollte. »Was?« Ihre Stimme klang höher als sonst. Sie drehte den Kopf, wollte sehen, was da lag. Dunkel mit einem weißen Fleck.
»Guck nicht hin.« Daniel stellte sich in ihr Blickfeld, versperrte die Sicht, gab Florian und Rebecca mit den Augen ein Zeichen. Sie gingen vor dem, was Lena nicht sehen sollte, in die Hocke. »Scheiße. Wer tut denn so was?«, fragte Florian mit belegter Stimme.
»Becky?«, fragte Lena. Es klang ganz kratzig. »Liegt da Becky? Was ist mit ihr?«
Florian stand auf. »Sie ist tot. Jemand hat ihr das Genick gebrochen.«
25
Der einzige Lichtblick des folgenden Tages waren zwei SMS von Benno. Er klang ganz normal, hatte Sehnsucht nach ihr und schlug vor, sich abends in der alten Villa zu treffen. Seine Nachricht holte Lena ein wenig aus ihrer Trauer um Becky und durchbrach sogar für einen Moment das seltsame Gefühl, alles, was um sie herum geschah, wie durch Watte wahrzunehmen.
Sie waren nicht ins Kino gegangen. Gemeinsam hatten sie Becky in einen von Omas Kopfkissenbezügen gewickelt und im Garten beigesetzt. Ein Stein und ein Strauß Dahlien machten die letzte Ruhestätte der Katze kenntlich. Der Katze, der Lena versprochen hatte, sie würde fett und alt in Stuttgart sterben. Und nun hatte ihr jemand das Genick gebrochen und sie über das Gartentor auf den Weg geworfen. Als wäre sie nie ein Lebewesen gewesen. Und Steffi und Tom waren weiter nur mit sich beschäftigt, von alldem hatten sie nichts mitbekommen.
Nachdem sie die Katze begraben hatten, waren sie noch ins Il Cappuccino gefahren. Lena stand völlig unter Schock und die anderen hatten sie nicht alleine lassen wollen. Nachdem sie eine Weile schweigend dagesessen hatten, hatte Daniel Lena angesehen und gemeint, das sei eine weitere Warnung für sie gewesen, endlich mit den Nachforschungen aufzuhören. Und auch Florian war besorgt, als er erfuhr, was sie in den letzten Tagen herausgefunden hatten. »Übergib die Angelegenheit der Polizei. Zwei Drohungen. Das ist schon heftig und wer so weit geht, dass er eine Katze umbringt, um dich davon abzuhalten, tiefer in den alten Geschichten zu graben, der geht auch weiter.«
»Was ja wohl nur eins bedeuten kann: Ulrike ist tot. Und ziemlich sicher hat sie jemand umgebracht. Jemand aus dem Dorf.« Wieder stiegen Lena die Tränen in die Augen. Ihretwegen hatte Becky sterben müssen. Sie zwinkerte die Tränen weg. »Ich gebe auf.«
Wahrscheinlich hatten die anderen recht. Auch wenn alles, was sie bisher herausgefunden hatte, Vermutungen waren, keine Beweise. Sie wollte sich nicht auslachen lassen, wollte aber natürlich auch nicht, dass der Tod ihrer Tante, von dem sie inzwischen überzeugt war, unaufgeklärt blieb. Lena seufzte bei der Erinnerung an das gestrige Gespräch. Morgen würde sie zur Polizei gehen.
Heute würde sie erst mal zu Benno fahren. Steffi und Tom machten eine Wanderung um den See, bei der sie sicher weiter endlose Beziehungsgespräche führen würden. Gut, dann musste sie sich keine Ausrede einfallen lassen! Lena schnappte sich Omas Rad und fuhr zur alten Villa. Das Gras war noch feucht vom Gewitterregen der vergangenen Nacht. Benno war schon da. Sein Auto stand unter den Bäumen auf dem Waldweg. Lena entdeckte ihn im Wintergarten. Efeu wucherte durch die Fensterrahmen, denen die Scheiben fehlten, ins Innere. Auf dem mit Mosaiksteinen
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