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Schattenkuss

Schattenkuss

Titel: Schattenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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setzte sich. »Ich habe Ulrike Claus … also damals nannte er sich ­Mike, das hast du ja anscheinend herausgefunden. Also ich habe ihn ihr nicht ausgespannt. Die beiden waren nie zusammen. Sie hätte das gerne gewollt. Aber er wollte sie nicht.«
    War sie echt so naiv? »Aber er war mit ihr im Bett. Alle wissen das, nur du anscheinend nicht.«
    »Ulrike war eine Lügnerin. Sie hat das behauptet. Aber es stimmt nicht. ­Mike hat nicht mit ihr geschlafen. Er hat mir das damals geschworen.«
    Lena verdrehte die Augen. Steffi war tatsächlich so naiv.
    »Du hast ihr den Freund ausgespannt und deswegen ist sie auf und davon. Kann ich gut verstehen. Anscheinend hält es niemand lange in deiner Nähe aus, ohne dass es Streit gibt. Sogar mit deinen eigenen Eltern hast du dich zerstritten.« Lena schob den Stuhl zurück und stand auf.
    »Setz dich!« Die Stimme ihrer Mutter klang auf einmal wie geschliffener Stahl. »Setz dich sofort wieder hin.« Sie wies auf den Stuhl. Lena ließ sich auf die Sitzfläche zurückfallen. So hatte sie Steffi noch nie erlebt.
    »Ich mache alles kaputt. Ja? Denkst du das? Hast du dir vielleicht schon einmal überlegt, dass es eventuell andersherum gewesen sein könnte?«, schrie Steffi. »Dass meine Mutter mit mir nichts zu tun haben wollte? Mit mir nicht, mit Tom nicht, mit dir nicht und auch Lukas hat sie nicht interessiert. Hast du in den letzten acht Jahren jemals einen Geburtstagsgruß von ihr bekommen? Geschweige denn ein Geschenk?«
    Nein, hatte Lena nicht. Aber sie hatte immer gedacht, das Zerwürfnis sei Steffis Schuld gewesen.
    Mit einer müden Geste strich Steffi die Haare aus dem Gesicht. »Ich war meiner Mutter scheißegal.« Der Zorn war verflogen, ihre Stimme beinahe tonlos. »Als ob ich auf einem anderen Kontinent gelebt hätte und nicht zwei Stunden entfernt in Stuttgart. Einem Kontinent ohne Telefon- und Postverbindung. Immer hat sich alles um Ulrike gedreht. Ulrike! Ulrike! Ulrike! Ich war die Tochter, die man nicht beachten musste, weil sie funktionierte. Aber ich war diejenige, die da war, im Gegensatz zu Ulrike. Was hätte ich für einen Funken Liebe und Anerkennung gegeben.« Steffi blickte auf. Kummer lag in ihren Augen. »Als Tom und ich geheiratet haben, ist der Kontakt fast ganz abgerissen. Dann starb Papa … Lukas war gerade zwei Monate alt. Natürlich bin ich mit euch hierhergefahren und habe meiner Mutter beigestanden. Ich habe die Beerdigung organisiert und die Trauerfeier … einfach alles. Und sie? Sie hat auf Ulrike gewartet. Sie war so sicher, dass sie kommen würde. Dass ich ein Baby hatte, hat sie zur Kenntnis genommen. So wie mich und dich und Tom. Wir waren unsichtbare, nützliche Idioten. Ulrike kam natürlich nicht, auch nicht in den Tagen nach der Beerdigung. Mutter wurde immer angespannter und aggressiver. Am Ende hat sie mir vorgeworfen, ich sei schuld, dass Ulrike davongelaufen ist. Sie wolle mich nie wiedersehen, hat sie gesagt. Ich habe das zwar nicht ernst genommen, aber es hat mich verletzt. Dieser Rauswurf war der berühmte Tropfen, der das Fass überlaufen ließ. Wir sind gefahren, aber vorher habe ich ihr gesagt, dass sie weiß, wo sie mich findet, dass sie den ersten Schritt machen muss. Seither hat sie sich nicht gerührt. Acht Jahre lang.« Steffis Redefluss endete. Sie stützte beide Hände in den Kopf. »Glaub mir, Lena, Ulrike ist nicht auf und davon, weil ich ihr ­Mike ausgespannt habe. Wenn, dann wäre es umgekehrt gewesen. ­Mike und ich waren schon seit Wochen ein Paar, als sie angeblich mit ihm im Bett war.« Sie stand auf. »So, nun habe ich dir Rechenschaft abgelegt. Zufrieden?«
    Lena war bestürzt. »Mama, das wusste ich ja nicht, dass Oma … Ich habe immer gedacht, dass du … Es tut mir leid.«
    Die Küchentür ging auf. Tom kam herein und legte eine Tüte Semmeln auf den Tisch, während Steffi sich abwandte und an der Kaffeemaschine herumhantierte. Das Frühstück verlief relativ normal. Ihre Eltern unterhielten sich über unverfängliche Themen. Lena dachte über das, was sie gerade erfahren hatte, nach. Steffi und ­Mike waren ein Paar gewesen. Damals. Und nun »frischten sie Erinnerungen auf«. Machte das eine Affäre akzeptabler? Oder war da vielleicht sogar mehr zwischen den beiden? Wie konnte Steffi sich nur mit einem Typen einlassen, der Wetten darüber abgeschlossen hatte, welche Mädchen er in sein Bett bekommen würde? Einmal sogar zwei gleichzeitig. Das war einfach nur widerlich und ekelhaft.
    Und plötzlich

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