Schattenlord 1 - Gestrandet in der Anderswelt
den Fehlschlag ordnete er an, die eingesammelten Handys auseinanderzunehmen.
Zoe zeterte am lautesten. »Seid ihr verrückt? Da sind alle meine Adressen drin, die wichtigsten Telefonnummern der Welt! Ich habe keinen Job mehr ohne die!«
Laura hatte ihr Handy längst nicht mehr, deswegen sah sie gleichmütig zu. Warum sollten die Leute sich auch an die Handys klammern? Sie konnten nicht aufgeladen werden, und wie es aussah, würde keiner von ihnen jemals mehr heimkehren. Diese Dinger waren noch nutzloser als die Uhren.
»Also, ich sage Ihnen was!«, fing Rimmzahn wieder an, meinte jedoch niemand Bestimmten. »Sie können es vergessen, uns als Geiseln nehmen zu wollen. Für uns wird niemand bezahlen!«
»Sie meinen, für Sie nicht«, bemerkte Felix trocken. »Deutschland zahlt immer und für jeden und alles, ohne Verhandlung, ob es ihm passt oder nicht. Und mindestens die Familie blutet dafür dann bis ans Ende ihres Lebens.«
»Sie sollten froh darum sein!«, sagte Karys entrüstet.
»Nicht immer«, erwiderte Felix düster.
»Ruhe!«, schnarrte ein Wächter und hob drohend die Waffe. »Kein Wort mehr, oder es ergeht euch schlecht. Ihr werdet Gelegenheit bekommen, euch zu äußern, jetzt aber schweigt!«
Laura lag eine Bemerkung auf der Zunge, doch Milt, der ihre Absicht wohl erahnte, stieß sie warnend in die Seite, und so hielt sie den Mund.
Die Räuber platzierten ihre Reittiere in den Schatten des Wracks und fingen an, ein Lager aufzubauen. Zelte und dicke Packtaschen wurden abgeladen. Dies führte den Gefangenen ihre Not überdeutlich vor Augen, als sie pralle Wasserkanister sahen, Weinbeutel und Essen: Trockenfleisch, Datteln, Orangen, Tomaten und viele andere Genüsse, für die jeder von ihnen einen Mord begangen hätte.
Drei Männer holten mitgeführte Äste, teilweise gebündelt, dazu getrockneten Dung und Steine, gruben eine Kuhle und schichteten alles darin auf. Bald darauf schlugen die ersten kleinen Flammen knisternd aus dem Geäst. Weitere Steine wurden in einer zweiten Kuhle geschichtet, in der schnell ebenfalls ein Feuer brannte.
Mit weit aufgerissenen Augen, lechzend vor Verlangen, sahen die Gefangenen dabei zu, wie zuerst Tee aufgesetzt wurde. Danach kam ein Kessel an die Reihe, in den Wasser hineinplätscherte und zuletzt verschiedenes Gemüse und Trockenfleisch hineingeworfen wurden.
Sandra und Luca fingen an zu weinen, auch einige Erwachsene hatten Tränen in den Augen.
Laura spürte, wie bohrender Hass ihre Eingeweide zerfraß. Immer wieder setzte sie an, um den Anführer an sein Versprechen zu erinnern. In einiger Entfernung hörte sie Jack murmeln. »Diese Dreckschweine, sie haben es uns versprochen. Dass sie uns nichts geben, ist eine Sache, aber das hier … ist mehr als unmenschlich. Und ich weiß auch gar nicht, welchen Zweck sie damit erzielen wollen, denn mürbe sind wir doch schon alle.«
»Es macht ihnen einfach Spaß«, konstatierte Milt mit seinem üblichen Fatalismus. Laura fragte sich, ob er wohl jemals so richtig in Zorn geraten konnte.
Sie warf einen Blick zu Andreas, der am Ende seiner Kräfte angekommen schien. Wahrscheinlich schwankte er gerade zwischen Wahnsinn und Hinnahme.
Zoe tat das einzig Richtige. Sie rollte sich zusammen und stellte sich schlafend, oder sie schlief tatsächlich Laura war zu müde und verzweifelt, um nachzusehen Sie zog die Knie an, schlang die Arme darum und verbarg den Kopf dazwischen.
Endlich hatten die Räuber ein Einsehen. Sie gingen mit Wasserblasen reihum, und jeder durfte einen Schluck nehmen.
»Mehr, mehr!«, riefen diejenigen, die etwas erhalten hatten, woraufhin die anderen aufsprangen und die Hände ausstreckten. »Wir sind zuerst an der Reihe!«
»Langsam!«, riefen die Wächter und drängten die Verzweifelten zurück. »Einer nach dem anderen, und dann gibt es mehr.«
Und diesmal hielten sie das Versprechen ohne Verzögerung. Bei der zweiten Runde erhielten die Gestrandeten schon mehr zu trinken und bei der dritten, als sie endlich ruhiger waren, soviel sie wollten. Die übrigen Wartenden hatten jetzt Geduld, bis sie an die Reihe kamen.
Laura hatte das Gefühl, innerlich zu baden. Das Wasser schmeckte kühl und sehr erdig. Es drang in alle verdorrten Zellen, die sofort aufquollen wie ein Schwamm. Sie war danach so erschöpft, dass sie sich zurücklegen musste, und sie legte eine Hand auf ihren glucksenden Bauch.
Ruhe kehrte ein im Lager; fast friedlich hätte es sein können, wenn sie nicht Gefangene gewesen wären.
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