Schattenlord 1 - Gestrandet in der Anderswelt
erhalten, was einigen ihre Schmerzen erst so richtig bewusst machte. Belorion hörte sich die ihm zugemurmelten Meinungen an und inspizierte dann noch jeden Einzelnen höchstpersönlich.
Laura krampfte sich der wohl gefüllte Magen zusammen, als sie sah, wie »aussortiert« wurde. Die hoffnungslosen Fälle - oder die, die als solche erachtet wurden - wurden an den Rand des Schattens gelagert, ohne Bequemlichkeit, einfach in den Sand geworfen, als wären sie schon tot. Die anderen erhielten medizinische Versorgung - nicht nur Pulver und Säfte, sondern es wurden auch Knochen gerichtet, bandagiert, Wunden versorgt.
Zuletzt kam der Pilot an die Reihe. Einer der Heiler hob leicht die Decke an, stieß einen Schrei aus und sprang zurück. Belorion kam hinzu, warf nur einen Blick auf den Schwerverletzten und wies dann auf die »Aussortierten«.
»Nein!«, rief Laura. Sie war jetzt nicht mehr zu halten sprang auf, drängte sich an dem Wächter vorbei, der sie vergeblich aufhalten wollte. Mit in die Seiten gestemmten Fäusten baute sie sich vor dem Anführer auf. Sie hatte keine Zeit, Angst zu haben, Zorn und Sorge um Elias waren zu groß.
Ihre Freunde waren so entsetzt und erschrocken, dass sie keinen Ton hervorbrachten; Laura spürte jedoch geradezu ihre Blicke in ihrem Rücken.
»Das kannst du nicht machen! Das ist unmenschlich!«, schrie sie Belorion an. »Er ist unser Pilot, unser Anführer, und er hat beste Behandlung verdient!«
Der Sklavenhändler starrte auf sie herab; sie wich seinem Blick nicht aus, obwohl sie ihn mit diesen geschlitzten Pupillen als sehr unheimlich und fremd empfand. Zwei Wächter näherten sich, doch er wies sie mit einem Wink ab.
»Dein Mut ist größer als dein Verstand«, sagte er zu Laura, »dass du es wagst, dich mir derart in den Weg zu stellen.«
»Selbst einer wie du muss irgendwo ein Herz da drin schlagen haben«, fuhr Laura unbeirrt fort und deutete auf seine Brust.
»Der Mann ist doch schon tot«, sagte Belorion erstaunlich mild. »Da ist nichts mehr zu machen, närrisches Menschenmädchen.«
Lauras Augen füllten sich mit Tränen. »Noch atmet, noch lebt er«, flüsterte sie. »Bitte, lass ihn wenigstens in Würde gehen. Du würdest das auch von deinen Leuten erwarten, dass sie das für dich tun. Oder gilt Ehre bei euch nichts?«
»In Bezug auf Sklaven?«, erwiderte er.
»Wir sind keine«, sagte Laura stolz. »Wir sind freie Menschen. Ich komme aus einem Land, in dem Demokratie herrscht.«
Belorion sah gelangweilt zur Seite. Aber immerhin schickte er sie nicht weg; vermutlich hatte er so merkwürdige Wesen noch nie erlebt und war auf gewisse Weise von ihnen fasziniert. Sehr viel Abwechslung in seinem Wüstenalltag dürfte er sonst nicht haben.
Laura fuhr rasch fort; solange sie nicht gezwungen wurde zu schweigen, würde sie einfach weiterreden. »Demokratie bedeutet, alle Macht geht vom Volk aus. Wir wählen unsere Anführer, und wir jagen sie fort, wenn sie nichts taugen. Wir sind alle gleich.«
Belorions Augen richteten sich erneut auf sie, sein Blick huschte über ihr Gesicht. Dann lachte er schallend. »Wann trichtert man euch diesen Unsinn ein? Noch im Mutterleib?« Fast mitleidig tätschelte er ihre Schulter. »Wie alt bist du, Kind? Du wirst noch lernen. Du wirst lernen, dass niemand frei ist und dass es immer mindestens einen gibt, der nach Macht strebt und der einen Weg findet, sie auszuüben. Sieh mich an.« Er wies auf sich. »Ich bin ehrlich. Meine Untergebenen wissen, dass ich der Herrscher bin, und sie wissen, dass ich allein bestimme. Bei euch scheint es mir so zu sein, dass die Herrschaft auf einer Lüge aufbaut, und ihr habt gar kein Interesse daran, sie aufzudecken.«
Laura schluckte, weil Belorion nur aufgrund dessen, was er bis jetzt erlebt hatte, diese Einschätzung traf. Darüber zu diskutieren würde zu weit führen und zu unangenehm werden. Vor allem wäre es total sinnlos. Sie zuckte zusammen, als sein Finger sacht über ihre Wange strich.
»Nimm meinen Rat an«, sagte er leise zu ihr. »Wenn du deine Zunge behalten willst, solltest du in Zukunft besser schweigen. Ich sage dir das, weil ich Mut und Intelligenz schätze und weil ich mich zum Glück nicht lange mit dir belasten muss. Du bist eine Kämpferin, und ich stamme aus einer Sippe von Kriegern langer Tradition. Wärst du von meinem Blut, würdest du vermutlich sehr berühmt werden. Aber du bist nur ein Mensch, eine Reinblütige noch dazu. Ihr seid hier sehr beliebt, weil ihr exotisch
Weitere Kostenlose Bücher