Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde
Bedienungsbereich setzte.
Als er eintrat, zog meine Mutter ihn unter einem Vorwand beiseite, bat ihn unter vier Augen um Rat wegen eines Problems, und er folgte ihr in die Stallung nebenan, wo die Reisenden ihre Zug- und Reittiere unterbrachten.
Als sie sicher war, dass sie beide allein und unbeobachtet waren, erklärte sie dem verdutzten Elfen in eiligen Worten, welch grausames Schicksal ihr drohte.
»Aber was könnte ich dabei tun?«, fragte er.
»Könnt Ihr Euch das nicht denken?«, antwortete sie verzweifelt. »Ihr müsst mich entjungfern! Dann lehnt das Füllhorn mein Opfer ab!«
Der Elf hob verblüfft eine Braue, zugleich amüsiert wie ablehnend.
So hat meine Mutter es mir erzählt, so und nicht anders, ich schwöre es.
Sie köderte ihn damit, dass Elfen den körperlichen Genüssen schließlich niemals abgeneigt waren und sie nicht glauben könne, dass er anders sei. Sie bot sich ihm an, auf eine Weise, dass er schließlich nachgab.
Danach verließ er die Taverne und die Stadt und ward nie mehr gesehen.
Meine Mutter, nunmehr um eine Erfahrung reicher, sah dem schrecklichen Tag nun ruhig entgegen. Umso mehr, als sie bald darauf feststellte, dass diese kurze Begegnung nicht ohne Folgen geblieben war und ihr eine Schwangerschaft beschert hatte. Doppelt hält besser, dachte sie.
Und sie irrte sich nicht.
Das Füllhorn spie sprichwörtlich Abfälle, als der Oberste Mäzen ihm meine Mutter vorführen ließ. Der Herrscher war außer sich und schrie nach den Wachen. Meine Großeltern, die erst jetzt begriffen, was vor sich ging, warfen sich ihnen heldenmütig entgegen und schrien meiner Mutter zu, zu fliehen, damit nicht alles umsonst gewesen sei.
Und sie rannte, sie hatte keine Wahl. Ihre Eltern waren nicht mehr zu retten, aber ich vielleicht, der ich in ihrem Leib heranwuchs. Sie floh und versteckte sich unter all den Ausgestoßenen. Schwanger in die Wüste zu fliehen war keine Option. Sie hätte dort den Tod gefunden, oder die Häscher des Obersten Mäzens hätten sie aufgespürt und zurückgebracht. Doch hier, in den verborgenen Winkeln abseits des Goldes, gab es viele Verstecke, und irgendwann suchte niemand mehr nach ihr. Das Leben ging weiter, und der Oberste Mäzen behielt trotzdem seine Machtposition, wie immer er das bewerkstelligt haben mochte. Wahrscheinlich hatte er doch seine Tochter geopfert.
Und so kam ich also eines Tages auf die Welt, als Nachkomme eines Elfen, dessen Namen meine Mutter nicht einmal gekannt hatte.
Von ihm erbte ich meine Sehnsucht nach der See, so wie von meiner Mutter den Wunsch zu reisen, an alle Orte dieser und jener Welten.
Meine Mutter erzählte mir alles, sobald ich alt genug war zu begreifen, immer und immer wieder, und trichterte mir ein, mich durch nichts davon abhalten zu lassen, mir meine Wünsche zu erfüllen.
Als sie sah, dass ich allein ohne sie überleben konnte, starb sie. Sie hatte ihre Wünsche für mich aufgegeben, und nun war nichts mehr für sie übrig, auch kein Lebenswillen mehr.
Da geschah es, dass Sinenomen fiel und die Unsterblichkeit zurückkam. Und nicht nur das, auch die Schöpferin kehrte in dieses Reich zurück und begann mit dem Wiederaufbau. Die Stadt der goldenen Türme blieb davon weitgehend unberührt, doch ich war nun nicht mehr zu halten. Ich wollte dabei sein, wenn Innistìr, wie es nun hieß, wieder ein Paradies würde! Eines Nachts schlich ich mich aus der Stadt, durchquerte die Wüste Richtung Morgenröte, um der Schöpferin meine Dienste anzubieten. Und sie dann zu bitten, mich gehen zu lassen, in die Menschenwelt, wo es Meere gab und Schiffe, mit denen ich fahren konnte.
Kühne Wünsche, ich weiß. Und es war ein weiter Weg dorthin. Ich fing auf winzigen Kuttern an, die Waren über Flüsse transportierten, und ich arbeitete auf Fähren über größere Seen. Es gibt nicht viele davon hier in Innistìr, aber ich konnte der Schöpferin schließlich nicht mit leeren Händen gegenübertreten. Ein bisschen was musste ich schon vorweisen.
Schließlich sah ich in der Ferne die Türme des Palastes vor mir und wusste, dass ich bald am Ziel sein würde. Zumindest Morgenröte hatte ich erreicht; wie es mir allerdings gelingen sollte, die Schöpferin zu sprechen, war mir schleierhaft.
Aber der Zeitpunkt war denkbar schlecht gewählt.
Denn ich war gerade mit einer Karawane, die ich als Tierhüter begleitete, auf dem Weg zum Palast, da ... kam Alberich. Und dieses schreckliche Schiff.
Ein tiefer Schatten fiel über das Land, die
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