Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde
grässlichsten Schiff aller Welten Dienst tat? Weil er überleben wollte, weil er den Glauben nie aufgegeben hatte, eines Tages ein besseres Leben zu finden?
Hoffentlich findet er eines Tages jemanden, der gut zu ihm ist.
4.
Das Kabinett des Schreckens
Laura hörte Barend Fokkes Stimme nur noch wie durch fernen Nebel.
Die Seelenkälte umhüllte sie, und sie verlor immer mehr den Kontakt zum Schiff, trieb langsam hinüber.
»Erkennst du ihn?«, hallte es in ihrem Ohr.
»Ja ...«, flüsterte sie. »Es ist Andreas ... Was ist denn nur geschehen ...?«
»Er starb, und seither gehört seine Seele mir. Und nicht nur das, er hat dich verraten! Oder wie sonst, glaubst du, habe ich dich damals in der Wüste gefunden?« Die Stimme troff vor Hohn.
»Du wirst ihn gequält haben wie Finn ... Wahrscheinlich gibt es auch Peitschen für Seelen.« Sie konnte nicht anders, sie starrte die Seele von Andreas Sutter unverwandt an. Er war bleich und durchscheinend, es gab keine Farbe mehr an ihm, und dennoch war er es. Die schmale Gestalt, die traurigen Augen, das ernste Gesicht. Es wirkte nicht so, als würde er viel verstehen, sondern lediglich den Befehlen Fokkes folgen, ohne Wissen und Willen.
»Du empfindest keinen Zorn auf ihn?« Fokkes Stimme klang nicht erfreut.
»Nein, weshalb?« Sie hörte den Hall ihrer eigenen Stimme, war sich selbst bereits fern. »Er hat es nicht aus freien Stücken getan, das weiß ich. Andreas war immer absolut pflichtbewusst ...«
»Du weißt gar nichts«, unterbrach der untote Kapitän ungehalten. »Aber du wirst bald begreifen. Wenn ich dich wiedersehe, bist du gebrochen. Niemand übersteht das ungestraft. Nimm sie, Andreas, und zeige ihr, was wahrer Schrecken bedeutet!«
Damit war die Verbindung zum Schiff endgültig abgerissen. Laura schwebte in der Welt drüben, in dem diffusen Nebel, der die Seelen gefangen hielt.
»Es tut mir leid, Laura«, sagte die Seele von Andreas Sutter klar und deutlich. »Er zwingt mich dazu ... Wir haben nur ein paar Augenblicke für uns, also lass uns schnell reden.«
»Wieso kannst du dich erinnern?«, fragte sie.
»Das liegt wohl an meiner Situation. Ich habe euch alle belogen. Ich war niemals Pilot. Bis zu meinem Ausbruch lebte ich seit meiner Kindheit in einer geschlossenen Anstalt. Mein Geist war krank, Laura, und zwar sehr schwer und unheilbar. Doch ich war auch mit Intelligenz und einem hervorragenden Gedächtnis gestraft, sodass ich mir eine Scheinidentität aufbauen konnte. Das ging so lange gut, bis in Cuan Bé meine Tabletten zu Ende gingen. Ich bekam Angstzustände und rannte fort, und dann versagte mein Herz ... Eines Tages musste es so kommen, aber das habe ich nicht gewollt ...«
»Es tut mir leid«, sagte Laura leise. Erneut fühlte sie Tränen aufsteigen. Was wollte Fokke ihr noch antun, so viel, wie sie bereits wegen der anderen litt, denen sie nicht helfen konnte?
»Dafür kannst du nichts.«
»Ich habe gesehen, was er euch angetan hat, als er uns in der Wüste angegriffen hat ...«
»Für ihn sollte wahrhaftig die Hölle geschaffen werden, damit er auf ewig darin schmort ... Wenigstens vergessen die anderen sofort wieder, doch sie sind permanent von Angst und Wut durchsetzt und in größter Verzweiflung. Mich hat Aswig beschützt, ich war nicht da draußen.«
»Aswig? Geht es ihm gut?«
»Er sieht bestimmt gerade nach Finn und Milt. Verlass dich auf ihn.«
Laura sah sich um. Grauer Nebel und Kälte, nichts sonst. »Kann er uns hören?«
»Nein«, versicherte Andreas. »Er kann zu uns hier hereingreifen und uns herausholen, aber er hört uns nicht. Der Nebel lässt nichts hindurch, und das ist gut so. Das ständige Stöhnen der Seelen würde jeden nur verrückt machen.«
Er blieb stehen. »Wir sind da.«
Es wurde noch kälter, der Nebel dunkler, und er begann von innen heraus zu leuchten. In dem Leuchten wurden nacheinander weitere diffuse Gestalten sichtbar, menschliche Schemen mit glühenden Augen, die langsam umhergingen, ohne Ziel und Zweck.
Und jetzt hörte Laura es auch, das Stöhnen und Seufzen, das Klagen und Jammern. Ab und zu verstand sie einzelne Worte. »Was ... was ... kalt ... geschehen ... friere ...«
Laura merkte, wie sich plötzlich etwas änderte, sich die Aufmerksamkeit auf sie richtete. Das Flüstern fand neue Worte.
»Warm ... leuchtet ...«
Und sie rückten näher zu ihr.
Laura wollte zurückweichen, doch sie sah sich von allen Seiten umringt. »Andreas, was geht hier vor sich?«, flüsterte
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