Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde
Knickrigen. »Ich hoffe, der Kapitän lässt genug von dir übrig, mit dem ich dann noch mein Vergnügen habe«, zischte er. »Du weißt es vielleicht nicht, aber manchmal lässt er ein winziges Stück der Seele zurück, das den Körper am Leben erhält, und holt es sich erst dann, wenn ich fertig bin!«
Er presste sie an sich, dass sie kaum mehr Luft bekam, und begrapschte ihren Körper mit grober, schwieliger Hand. »Du wirst unendlich leiden«, versprach er.
»Kramp!«, erscholl die voluminöse Stimme des Kapitäns. »Bring sie sofort in meine Kajüte!«
Laura hustete, ihr war schwindlig, und sie setzte sich nicht zur Wehr, als der Steuermann sie grob übers Deck schleifte. Er schien zu bedauern, dass er sie auf dem Weg dorthin nicht grün und blau schlagen durfte.
»Hat er das auch mit dir gemacht?«, ächzte sie. »Ein Stück Seele in dir belassen, das dich am Leben erhält?«
»Ein Handel«, brummte er. »Ein sehr guter Handel, und im Gegensatz zu ihm kann ich noch alles tun.« Der Blick seiner Augen brannte sich in sie. »Alles«, wiederholte er.
Kurz bevor sie durch die Tür gestoßen wurde, warnte sie die Mannschaft erneut. »Denkt daran! Der Schattenlord wird kommen! Es gibt kein Entrinnen!«
Fokke zerrte sie persönlich nach innen und schleuderte sie auf den Sessel; er schien kurz davor, ihre ohnehin geschwollene Wange erneut zu schlagen.
»Was sollte das?«, schnaubte er. »Bist du verrückt geworden?«
Laura kicherte, um ihm eine Bestätigung zu geben. »Du bist dem Untergang geweiht! Und die Seelen wissen es auch!« Sie griff nach dem Weinpokal, der auf dem Tisch stand. Während sie trank, schüttete sie die Hälfte daneben, um das Schauspiel zu unterstreichen. Dazu brauchte es gar nicht viel, ihre Hand zitterte wirklich stark. Der Schrecken über Kramp saß ihr in allen Gliedern.
Von draußen hörte sie gedämpfte Schreie und wusste, dass der Knickrige seine Wut darüber, ihr nichts antun zu dürfen, an der Mannschaft und/oder den Sklaven ausließ. Die beiden, Kapitän und Steuermann, ergänzten sich hervorragend.
»Ich weiß nicht, was du von mir willst«, fuhr sie fort. »Jeder will immer irgendetwas von mir, aber ich habe nicht mehr zu bieten!«
»Da täuschst du dich.« Er sah auf, als Aswig hereinkam. Seine Wange war noch verschwollener als Lauras, bis zum Auge hinauf, und verfärbte sich bereits.
Sie fuhr hoch. »Was hast du dem Jungen angetan? Er hat nichts damit zu tun!«
»Er hat nicht aufgepasst. Auf einem Schiff gelten strenge Regeln in Bezug auf die Disziplin. Sie zu vernachlässigen zieht unweigerlich Strafe mit sich. Er kann sich dafür sogar bedanken, weil er der Schiffsjunge ist. Einem Matrosen wäre es anders ergangen.« Fokke winkte dem Schiffsjungen, näher zu kommen. Das war leichter gesagt als getan, denn er schleppte schwer an Ketten. »Leg sie da hin und verschwinde.«
Der Untote übernahm es persönlich, Laura in Ketten zu legen – immerhin in dem einigermaßen bequemen Sessel. Doch eine Schwierigkeit gab es bei dieser erzwungenen Reglosigkeit. »Was ist, wenn ich ein dringendes Bedürfnis habe?«, fragte sie.
Fokke unterbrach die Fesselung. »Wann? Jetzt?«
»Um genau zu sein, ja«, murmelte sie.
Es kam, wie sie befürchtet hatte. Kramp der Knickrige selbst begleitete sie zu dem bestimmten Ort auf dem Schiff, und er dachte gar nicht daran, sich umzudrehen. Grinsend beobachtete er sie, doch das war ihr egal. Am liebsten hätte sie sich zudem übergeben, direkt auf seine Stiefel, aber leider war ihr Magen in diesem Augenblick so verkrampft, dass er nichts hergeben wollte.
Du wirst bezahlen, dachte sie und spürte den Hass wie eine schaumige Meereswoge in ihr hochquellen. Aber sie riss sich zusammen, sagte nichts, sah ihn nicht einmal an. Ihre Konzentration galt Barend Fokke, nicht seinem Handlanger.
Fokke fesselte sie nun erneut mit den Ketten und überprüfte mehrmals, ob sie auch gut saßen. Laura spürte das Gewicht, das sie in den Sessel drückte. Sie konnte sich kaum noch rühren.
»Wir unterhalten uns später weiter«, kündigte der Untote an. »Ich habe jetzt zu tun.«
»Womit?«, entfuhr es ihr, denn sie dachte sofort an Milt und Finn.
»Ich muss nach deinen Freunden sehen«, antwortete er prompt.
»Bitte lass sie in Frieden«, flehte sie.
»Lerne Demut, kleines Menschlein«, sagte Fokke und ließ sie allein.
Laura war ganz und gar ihren Gedanken überlassen, und das war ihr nicht recht. Die Erinnerungen an die Begegnungen mit den Seelen
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