Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde
hingegen schon.
»Wenigstens einen kleinen Hinweis könntest du mir geben.«
»Nicht im Geringsten. Stelle die richtige Frage, und ich gebe die Antwort.«
Keinerlei Regung. Nichts. Sie konnte also nur insofern nach dem Ausschlussverfahren arbeiten, als sie keine ähnlichen Fragen stellte.
»Darf ich mir meine Frage notieren?«, fragte sie.
Er hob eine Braue. »Schön, das will ich dir zugestehen. Ihr Menschen habt ein kurzlebiges Gedächtnis, und du lenkst dich selbst dauernd ab. Es wäre zu einfach für mich, wenn du Fragen verlierst, weil du sie doppelt stellst. Wie du sagtest, das Risiko mag dieses Duell würzen. Zum ersten Mal seit mehr als hundertfünfzig Jahren fühle ich wieder so etwas wie Spannung, und das gefällt mir. Ich weiß zwar, wie es endet, da du natürlich verlieren wirst, aber wie wir dahin kommen, weiß ich nicht.«
Ja, sollte er nur überheblich sein! Umso tiefer würde dann sein Sturz sein. Laura war erleichtert. Sie griff nach Papier und Feder auf dem Tisch und schrieb kratzend die erste Frage auf. Sie hatte den Wortlaut schon beinahe vergessen, brachte ihn aber gerade noch zusammen.
Der Kapitän trommelte mit dem Finger auf die Tischplatte. »Nun bin ich an der Reihe.«
»Ich bin einundzwanzig Jahre alt, was sollte ich dir Interessantes erzählen können?«
»Alles über das Leben. Erzähl mir von deiner Entjungferung.«
Bastard. So lange untot und fern aller Körperlichkeit, aber einen Porno erzählt bekommen wollen. Sie sollte ihm ein Notebook und einen Internetanschluss besorgen.
Sie hatte keine Wahl. Also erzählte sie davon, und zwar alles. Sie wusste, er würde sich nicht mit der Kurzform abspeisen lassen. Genau darum ging es ihm doch – ihr die Qual der Erinnerung zuzufügen.
Alle in der Jahrgangsstufe hatten schon einen Freund, nur Laura nicht. Die K12 hatte gerade angefangen, die Kurse waren neu und anders, doch es interessierte kaum einen. Viel mehr die Partys, die überall stattfanden, denn ab jetzt war man viel freier, selbstständiger, einige waren schon achtzehn. Ab und zu wurde auch Laura eingeladen, von denjenigen Leuten, die sowieso jeden einluden.
Es war ja nicht so, dass Laura unbeliebt war. Es hatten nur alle Angst, dass sämtliche elektronischen Geräte abschmierten, sobald sie in die Nähe kam, oder dass der Nachbarshund tollwütig wurde, und ähnliche Unglücksfälle.
Manche, die es noch nicht besser wussten und gerade erst auf Laura trafen, glaubten nicht daran und ließen sie an ihren Aktivitäten teilhaben. Bis ... na ja, bis dann etwas passierte.
Jedenfalls war Laura schon lange auf der Suche nach einem Freund. Klar, sie war hübsch, sie riss immer jemanden auf, wenn sie in der Stadt war oder in die Disco ging. Es gab auch Knutschen und Fummeln, aber mehr bisher nicht. Die wenigsten meldeten sich später wieder bei ihr; meist, weil ihre SIM-Karte auf einmal gelöscht war und sie sowieso nicht mehr ihre Nummer hatten.
Diejenigen, die trotz allem nicht aufgeben wollten, wurden dann von ihren Eltern vergrault. Laura hatte keine Wahl, früher oder später lernten die Eltern ihre Freunde, wenn sie sie lang genug hatte, kennen. Die Mutter wusste es so einzurichten, ein zufälliges »Treffen« oder Ausgehverbot, bevor sie nicht den jungen Mann gesehen hatte, der schon im Besitz eines Führerscheins war.
Auf der Party hatte es Laura jedenfalls satt. Sie wollte endlich auch mitreden können, vor allem, weil sie nachts ganz und gar nicht gut schlief und die Hormone nur so Wellen schlugen.
Es war eine sehr große Party, mit etwa hundert Leuten. Und es ging ausnahmsweise nichts schief. Laura verguckte sich in einen hübschen blonden Jungen, tanzte mit ihm, knutschte mit ihm, und als er nach zwei Wodka-Red-Bull fragte, ob sie mit in sein Auto käme, sagte sie Ja. Sie sagte nicht, dass sie noch Jungfrau war.
Das Auto war ein Corsa, aber Laura jung und biegsam wie eine Brezel. Das war sie von Natur aus, auch wenn sie mit dem Sport nicht so viel am Hut hatte. Romantisch war es genauso wie eine schnelle Nummer hinter einem Stehimbiss im Regen. Es stellte sich heraus, dass der junge Mann nicht weniger ungeschickt war als sie – das Auto hatte er noch nicht so lange – und dass er sich alles ein wenig mehr mit Kerzenschein vorgestellt hätte. Für die Musik konnte er immerhin sorgen, und so gaben sie sich Mühe: Wer A sagt, muss auch B sagen. Wer wusste schon, ob sie nicht doch beobachtet worden waren, als sie gemeinsam gingen, und ergebnislos wieder
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