Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde
Kapitän sie.
»Ja, aber im Moment fällt mir keine Frage ein.«
»Dann fasse doch mal zusammen, was du nach den drei mageren Fragen herausgefunden hast.«
»Ich weiß, dass Barend Fokke niederländisch ist, also brauche ich dich nicht nach deinem Namen zu fragen. In den Sagen ist immer wieder vom Kap der Guten Hoffnung die Rede. Mit der ersten Frage habe ich mir selbst eine Falle gestellt. Aber wenn ich nach meiner bisherigen Kenntnis über dich eine Schlussfolgerung ziehen wollte, würde ich sagen, du hast den Fluch ganz allein durch dein eigenes Fehlverhalten ausgelöst. Und gemessen an den Auswirkungen des Fluches muss es zutiefst menschenverachtend gewesen sein. Darum dachte ich an Meuterei, was auf See so ziemlich das Schlimmste ist, was geschehen kann. Aber ... das wird dir wohl nicht gerecht.«
Fokke sagte nichts, bleckte lediglich die Zähne.
Ja, ja, grins du nur, dachte sie erbost. Bisher habe ich dir gar nicht preisgegeben, wohin meine Gedanken führen. Und weil du immer von ihr Menschen redest, siehst du dich selbst längst nicht mehr als solchen. Bist du auch nicht mehr. Und deswegen wird dir die menschentypische Unberechenbarkeit zum Verhängnis werden.
»Wenn du wütend bist, blitzen Smaragdkörnchen in deiner Erdfarbe auf«, stellte Fokke fest. »Das gefällt mir. Ich glaube, wir werden viele interessante Tage und Nächte verbringen, wenn du erst einmal so bist wie ich.«
»Ein versteckter Poet. Sollte das etwa meine vierte Frage an dich werden? Da muss ich dich enttäuschen.« Laura lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter, wenn sie daran dachte, dass Fokke es tatsächlich gelingen könnte, ihre Seele gründlich zu verderben, bevor er sie fast leer trank und nur noch einen fauligen schwarzen Rest in ihr zurückließ. Die Ironie würde ihm sicher gefallen, eine Frau an Bord zu haben, die bald genauso niederträchtig wäre wie er. »Frauen an Bord bringen Unglück, ist es nicht so?«
»Hier doch nicht«, erwiderte Fokke prustend. »Außerdem war nie von untoten Frauen die Rede.«
»Ich habe noch einige Fragen vor mir, und du solltest nicht so siegesgewiss sein«, warnte sie ihn. »Du wirst diesmal kein falsches Spiel treiben.«
»Dann belehre mich eines Besseren«, forderte er sie auf und hob erwartungsvoll die Hände. »Frage mich!«
»Bitte sehr. Frage vier: Bist du einen Pakt eingegangen?« Als er sich nicht regte, fügte sie hinzu: »Ich erläutere, wie ich das meine. Ein Pakt mit wie du dieses Wesen mit besonderen Kräften auch nennen magst – dem Teufel, falls du ein aufrechter Christ warst, oder einem Dämon, einem Elfen, vielleicht sogar Alberich selbst. Ist das nun das Ergebnis des Paktes, weil Menschen dabei grundsätzlich hereingelegt werden, indem sie einen Vertrag unterschreiben, ohne das Kleingedruckte zu lesen? Oder ohne die Wortwahl bis in die letzte Konsequenz hinein zu verstehen?«
»Ich habe deine Frage auch ohne die Nachsätze vollauf verstanden«, erklärte Barend Fokke nachdrücklich.
Hm. Diesmal hatte sie geglaubt, sehr nah dran zu sein. Vielleicht war das Wort »Pakt« falsch gewählt gewesen? Aber sollte sie jetzt die Frage fünf damit verplempern, stattdessen das Wort »Vertrag« einzusetzen? Sie hatte das Wort in den Nachsätzen verwendet, aber vermutlich hatte es bereits seine Gültigkeit verloren, weil der erste Satz vollendet war.
Laura klopfte mit der Feder auf das Papier, nachdem sie die Frage aufgeschrieben hatte. Irgendetwas war da dran, dessen war sie sicher. Flüche waren ja oft das Ergebnis schiefgegangener Händel.
Fokke mochte ungerührt geblieben sein, aber Laura war trotzdem davon überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein. Die Wortwahl war es gewesen, die ihn gelassen sein ließ.
Oh Mann. Wie soll ich das durchstehen ...
»Ich bin dran.«
Sie nickte und sah ihn an.
»Was war die schönste Begebenheit in deinem Leben?«
Diese Frage war leicht, und sie verriet dabei auch nichts. »Milt kennengelernt zu haben.«
Fokke verharrte. Er wirkte unzufrieden über ihre Antwort. Wahrscheinlich, weil sie wieder so kurz ausgefallen war. Oder glaubte er ihr etwa nicht? Das wusste sie ja wohl besser als er. Aber die Frage war beantwortet, und nach einer Begründung hatte er nicht gefragt. Wenn er mehr wissen wollte, musste er die neue Runde abwarten.
Anscheinend bringe ich ihn auch langsam aus dem Konzept, dachte sie in kurzer frohlockender Aufwallung.
Da hakte sie besser gleich einmal nach. Während der Grübelei über die vorhergehende Frage war
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