Schattenlord 13 – Der Dolch des Asen
ausgezeichnete Gesprächspartnerin. Sie weiß so viele Geschichten aus der guten alten Zeit, nicht wahr? Über Foltermethoden, die längst in Vergessenheit geraten sind, über Kochrezepte, die ihr mein Erzeuger hinterlassen hat. Oh ja, es macht Spaß, ihr zuzuhören.«
Er küsste seine Mutter aufs hölzerne Gesicht und setzte sich dann an den Tisch, um nach seinem Häkelwerkzeug zu greifen und eine neue Reihe zu beginnen.
»An der Aufzugtrasse ist alles in Ordnung, sollte es euch interessieren. Der Dölt, den ihr mitgebracht habt, wurde mittlerweile in den Palast verschickt. Das Geld ist nach Narruhu unterwegs. Ich habe sogar dafür gesorgt, dass die Dorfbewohner großzügiger als üblich entlohnt wurden. Immerhin haben sie den Verlust mehrerer Bewohner zu beklagen, nicht wahr?«
Krasarhuu lachte unvermittelt, ohne dass ein Grund für diese Heiterkeit erkennbar war, um gleich darauf wieder ernst zu werden: »Die Leichen dieser armseligen Bauern wurden gefunden. Sie waren wie Abfall verscharrt worden. Und so ist es wohl auch, wie ihr uns seht. Wir sind Tiere in euren Augen, nicht wahr?«
Arun blieb stumm. Es war nicht gut, den Schwarzelfen durch Widerspruch zu reizen.
»Ich fühle das Erbe meines Vaters in mir. Da ist diese düstere Seite. Die Lust am Kampf, am Töten, am Fressen. All dies verbindet sich zu einer Wut, die durch meinen Kopf tobt und nur schwer zu kontrollieren ist. Aber in all diesem Chaos, das mich beherrscht, steckt eine gewisse Schönheit. Im Kampf, dem die Gog/Magog frönen, finden wir eine unabänderliche Wahrheit, und wenn wir unseren Gegner besiegen und ihn anschließend zu uns nehmen, dann nehmen wir ebenfalls seine Gedanken zu uns. Wir verbinden uns mit dem Feind und schließen unseren Frieden mit ihm.«
»So ist es, mein Sohn«, sagte die Mutter. »Dein Vater war ein weiser und kluger Mann. Nur deshalb habe ich ihn geliebt. Und deshalb habe ich ihm auch erlaubt, von mir zu kosten. Einen Teil dessen zu essen, was mich ausmacht.«
Arun schloss die Augen. Er wollte nicht über den Wahnsinn nachdenken, der zu dieser Verbindung zwischen Mann und Frau geführt hatte. Die Arme ... sie fehlen, weil sie sie geopfert hat ...
Krasarhuu nickte. »Ja, Mutter; du warst ihm ein gutes Weib. Wie er dir auch jetzt noch ein guter Geliebter wäre, wenn ...« Er brach abrupt ab.
Arun verstand nicht; er wollte auch nicht wissen, worüber die beiden Verrückten redeten. Ihn interessierte lediglich, was der Schwarzelf mit ihnen vorhatte – und wie sie ihm zuvorkommen konnten.
»Du fragst dich sicherlich, was nun weiter mit euch geschehen soll, lieber Freund?« Krasarhuu lächelte, ein Hauch von Dunkelheit fiel über sein Gesicht. »Natürlich hätte ich euch gern zum Essen hierbehalten; aber ich habe strikte Anweisung, euch in Ruhe zu lassen. Schade, nicht wahr? Ich denke, wir beide hätten unseren Frieden miteinander geschlossen, wenn ich Teile von dir gegessen hätte.«
Er zuckte die Achseln. »Es gibt Höhere als mich, und ich beuge mich dem neuen Herrscher. Für einen wie mich ist es nicht gut, allzu präsent in der Öffentlichkeit zu sein. Die Leute meines Vaters könnten auf den Gedanken kommen, dass ich noch heimliche Sympathien für das Elfenvolk hege – und umgekehrt wäre es genauso.«
»Richtig, mein Sohn, ganz richtig! Du musst im Dunkeln wirken, unbeobachtet von allen. Und bald, du wirst sehen, werden wir unser eigenes Reich gründen.«
»Ja, Mama.« Krasarhuu erhob sich. Mit einigen in die Luft gezeichneten Gesten sorgte er dafür, dass sich die magischen Fesseln lösten.
Arun kam auf die Beine. Vorsichtig versuchte er, seine eigenen Gaben einzusetzen – doch er scheiterte. Zu stark war der Einfluss des Schwarzelfen und wohl auch der seiner Mutter. Die beiden bildeten ein Paar, dem der Korsar und seine Begleiter nicht beikommen konnten.
»Wir machen uns gleich auf den Weg«, sagte Krasarhuu und winkte ihnen, ihm zu folgen. Ohne weiter auf sie zu achten, ging er vorneweg, durch die Türöffnung, an Veranda und Tisch vorbei, die Serpentinen hinab.
Die Umgebung wirkte leicht verändert, ohne dass Arun hätte sagen können, wie dieses Anderssein zustande gekommen war. Es war hell. Eine Sonne, die es nicht geben durfte, brannte heiß herab.
Arun machte einen weiten Bogen um die Mutter Krasarhuus. Die Frau in ihrem Rollstuhl beugte sich eben in einer unendlich langsamen Bewegung vor und tastete mit einer Beinwurzel nach jenem Häkelzeug, das ihr Sohn zurückgelassen hatte. Ihre
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