Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
Müller, die, dem Instinkt der Mutter folgend, das Gespräch wohl aus der Entfernung verfolgt hatte und nun eingriff. Sie hastete ihrer Tochter hinterher, nicht, ohne Laura einen giftigen Seitenblick zuzuwerfen.
Milt trat zu ihr. »Ein Familiendrama?«, fragte er knapp. »Was hast du der Kleinen gesagt?«
»Dass sie sich vor Najid in Acht nehmen sollte. Sandra ist verknallt, und wir beide wissen, wozu Mädchen in ihrem Alter in der Lage sind.«
»Mach dir keine Sorgen. Ich habe immer ein Auge auf unseren unschuldigen Klosterschüler. Sollte Sandra Blödsinn versuchen, bin ich zur Stelle.« Milt wechselte abrupt das Thema. »Was hältst du davon, wenn wir uns auf die Suche nach Brennholz machen?«
Möchtest du nicht doch lieber mit Zoe spazieren gehen?, fragte eine innere, böse klingende Stimme, die sie nie zuvor gehört hatte.
»Gern«, antwortete sie. »Wir sollten uns allerdings nicht zu weit vom ... Lager entfernen.« Gut gesagt. Das Lager bestand aus nicht mehr als einer schattigen Ecke.
Sie erreichten eine Reihe staubbedeckter Gebäude, die sich aneinanderlehnten und äußerlich gut erhalten wirkten.
»Was waren das bloß für Wesen, die hier lebten?«, fragte Laura und schüttelte den Kopf.
»Wesen? Du meinst: Menschen.«
»Hast du denn keine Augen im Kopf? Kreisrunde Eingänge. Keine Fenster. Meterlange Kratzspuren im Gemäuer. Wäre es nicht abstrus, würde ich behaupten, dass dies Behausungen kriechender Geschöpfe waren. Die von Echsenwesen zum Beispiel ...«
»Du besitzt eine sehr ausgeprägte Fantasie, Laura. Für mich sieht das aus wie von Menschenhand gebaut.«
»Ich suche bloß Antworten auf all die Fragen, denen wir hier ständig begegnen. Najid ist schließlich auch kein Mensch, genauso wenig wie Belorion und die anderen.«
Sie näherten sich einem der Häuser und traten zögerlich ein. Der einzige Raum war nackt und leer. Lediglich in der rechten hinteren Ecke hing eine Holztür schief in ihren Angeln. Sie bewegte sich ein wenig, immer wieder vom Wind gepackt, der durch das runde Eingangsloch fauchte.
Laura wartete, bis sich ihre Augen an das schummrige Licht gewöhnt hatten, bevor sie tiefer in den Raum vordrang. Der Boden unter ihren Füßen klang hohl.
»Sei vorsichtig!«, mahnte Milt. Er bewegte sich entlang der Innenmauern und suchte an den Wänden nach Spuren, die auf die früheren Bewohner schließen ließen.
Laura erreichte die Tür. Das Holz war ausgetrocknet, es würde brennen wie Zunder. Versuchsweise rüttelte sie an den Angeln. Sie gaben augenblicklich nach. Die seltsamen, kreisrunden Beschläge waren fast vollends durchgerostet.
Rechts davon, in der hintersten Ecke, war ein ... Loch, das fast zur Gänze mit Sand angefüllt war. Faustgroße Brocken lagen ringsumher, ebenfalls vom Staub überbacken.
»Ich habe eine Ahnung, was das hier sein könnte«, sagte sie zu Milt, der eben zu ihr trat.
»Und zwar?«
»Eine ... Kloake. Eine Art Toilette.«
Der Australier verzog das Gesicht, im Halbschatten gerade noch erkennbar. »Wer sollte sich ein derartig großes Plumpsklo in seiner Wohnung anlegen?«
»Jemand, der nicht menschlich ist.«
»Hör doch endlich auf!«, sagte Milt heftig. Er wandte sich der Tür zu. »Du musst unbedingt hinter jeder Ecke ein Gespenst sehen, nicht wahr?« Er griff nach dem Türblatt, zog daran und riss es mit einem Ruck aus den Angeln. Es fiel in einer riesigen Staubwolke zur Seite. Holzbohle löste sich von Holzbohle.
»Schnappen wir eines dieser Dinger, bringen wir's zum Lager und kehren wir mit ein paar Leuten hierher zurück, um den Rest abzutransportieren. Das gibt ein schönes Feuer ...«
Laura seufzte und packte schicksalsergeben zu, als Milt einen zweieinhalb Meter langen Balken anhob. Trotz seines Obeah-Hokuspokus verschloss er wie die meisten anderen Menschen ihrer Gruppe die Augen vor den Wunderlichkeiten dieser Umgebung. Sie konnte es ihm nicht einmal verdenken.
Gemeinsam verließen sie den Raum, die Holzbohle schleppend, er vorne, sie hinten. Laura warf einen letzten Blick umher. Suchte nach Spuren, die sie bis jetzt übersehen hatten und die auf die ehemaligen Bewohner hinwiesen.
Ein Schatten. Ein Lichtreflex, der hier nichts zu suchen hatte! Laura zuckte zusammen.
Milt fluchte unterdrückt und hatte alle Mühe, den Balken in Händen zu balancieren, bis sie das Holz endlich wieder fest umfasst hatte. »Was ist los mit dir?«, herrschte er sie an. »Möchtest du mich umbringen?«
Laura versuchte, das Dunkel mit Blicken zu
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