Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
derart schlechte Lügnerin wie dich getroffen«, sagte Zoe. Sie gab sich einen Ruck und stand leicht wankend aufrecht da. »Also los! Sehen wir zu, dass wir die anderen Schnarchnasen ins Leben zurückbringen.«
Verbrennungen. Hautverletzungen. Eiternde Wunden. Sonnenstiche. Kreislaufkollapse. Übelkeitsanfälle.
Die Liste der kleinen und großen Wehwehchen ließ sich endlos lange fortsetzen - doch sie hatten es ohne Ausnahme geschafft! Sie lebten, und sie fanden im Inneren der Ruinen genügend schattige Plätze, um sich von den Strapazen ihres Gewaltmarsches zu erholen und neue Pläne zu schmieden.
»Wir übernachten hier«, bestimmte Jack. »Es sind zwar noch einige Stunden bis Sonnenuntergang, doch ich sehe keinen Sinn darin, uns heute weiterzuquälen.«
Niemand widersprach. Alle waren gezeichnet und benötigten dringend eine Erholungspause.
»Wir sollten uns in den Ruinen umsehen«, forderte Laura. »Ich habe Türstöcke und verwitterte Holztüren gesehen. Stühle und vermoderte Bänke, die wir zu Brennholz verarbeiten könnten.« Sie zog den Kopf zwischen die Schultern. »Ich kann mir nicht helfen - aber mir ist unheimlich zumute. So als würden wir beobachtet. Wir sollten tunlichst darauf bedacht sein, uns vor möglichen Angreifern zu schützen. Feuer schützt vor Kälte - und vor Raubtieren. Vor solchen auf vier und auch vor solchen auf zwei Beinen.«
»Ich gebe nicht viel auf Gefühle«, sagte Jack, »aber du hast recht. Wobei ich gar nicht so sehr an Najids Freunde denke. Die Nacht bringt womöglich Jäger zum Vorschein, mit denen wir nicht rechnen. Skorpione oder Schlangen.«
»Oder unbekannte Tiere.«
Niemand reagierte auf Lauras Einwand. Sie wussten alle, dass sie sich in einer Welt der Wunder und der Unmöglichkeiten befanden. Doch ihre Begleiter weigerten sich, ein Wort darüber zu verlieren. Sie klammerten sich an das, was sie mit dem Verstand erfassen konnten.
»Schön.« Andreas klatschte in die Hände. »Wir suchen uns ein Gebäude, das groß genug ist, uns alle aufzunehmen, um darin die Nacht zu verbringen. Wir verbarrikadieren die Türen, soweit noch vorhanden. Wir entzünden Feuer, und wir stellen Wachen auf. Zudem reinigen wir die Räumlichkeiten von eventuellem Viehzeugs.«
»Und morgen?«, fragte Milt. »Was erwartet uns, sobald wir die Stadt verlassen haben? Habt ihr euch mit Najid darüber bereits unterhalten?«
Der Sklavenhändler saß ein wenig abseits. Seine Hände waren wieder hinter den Rücken gefesselt, allerdings nicht so fest wie zuvor. Er hatte Sympathiepunkte gesammelt, indem er einigen Menschen Wasser eingeflößt und ihnen geholfen hatte, ins Leben zurückzufinden.
Sandra Müller unterhielt sich leise und angeregt mit ihm. Zu angeregt für Lauras Geschmack.
Sie stand auf und wandte sich dem jungen Mädchen zu. »Ich muss mit dir reden, und zwar allein!«
Sandra wirkte verwirrt, als kehrte sie aus ihrem eigenen Universum in die Wirklichkeit zurück und müsste sich neu orientieren. Mechanisch setzte sie einen Fuß vor den anderen und folgte Laura, hin zu einer einsam dastehenden Wand, die einstmals die Stirnfront eines größeren Gebäudes gewesen sein mochte.
»Du weißt, wer und was Najid ist?«, fragte Laura die Halbwüchsige.
»Es ist nicht so, wie du glaubst. Er ist ... nett. Najid hatte mit den anderen Sklavenhändlern nichts zu schaffen. Er hat sich ihnen bloß angeschlossen, weil er dazu gezwungen wurde. Er ...«
»... lügt wie gedruckt, Sandra! Najid würde dir alles Mögliche auftischen, um dich auf seine Seite zu ziehen. Er macht dir aus Berechnung schöne Augen und spielt dir das Unschuldslamm vor. Doch in Wirklichkeit ist Najid nur an einem interessiert: an Najid.«
»Das stimmt nicht!« Sandra stampfte wütend mit einem Bein auf, Sand staubte auf. »Er ist kein Lügner und schon gar kein Sklavenhändler! Ich weiß es ganz genau! Glaubst du, dass du mehr Ahnung von Männern hast als ich, bloß weil du alt bist? Ich war schon viel mit Jungs zusammen! Ich weiß ganz genau, wie sie funktionieren!«
»Schon gut, Sandra. Ich wollte bloß sagen, dass du ein wenig achtgeben solltest.« Laura legte dem Mädchen die Hand auf die Schulter, wurde aber brüsk zurückgewiesen.
»Behandle mich gefälligst nicht wie ein Kleinkind!«, schrie Sandra. »Lass mich in Ruhe!«
Sie wandte sich ab und lief davon, weiter ins Innere der Ruinenstadt hinein. Ohne nach links oder nach rechts zu blicken, ohne an mögliche Gefahren zu denken.
»Sandra, warte!«, rief Angela
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