Schattenlord 2 - Stadt der goldenen Türme
Ziel zu.
Zweitausend Schritte ...
Es ging den ausgetretenen Weg entlang, in eine Senke hinab, in der sich die Hitze wie im Fokus einer Linse zu konzentrieren schien. Der Sand war zu hüfthohen Skulpturen verbacken, die obskure Gestalten annahmen. Laura meinte, wie eingefroren dastehende Zwerge oder dämonische Gestalten zu erkennen. Sie starrten die Menschen an, lauerten. Als warteten sie auf deren Zusammenbruch, um dann mit weit ausgebreiteten Schwingen über sie herzufallen ...
Du fantasierst, sagte sich Laura. Reiß dich gefälligst zusammen!
Zoe ließ sich zu ihr zurückfallen. »Ich sehe keine Stadt, und ich sehe keinen Brunnen«, krächzte sie. »Allmählich glaube ich ... glaube ich ...«
Sie schaffte es nicht, ihren Satz zu vollenden. Zu kraftlos, zu müde war sie geworden.
Laura lehnte sich gegen Zoe, Zoe lehnte sich gegen Laura. Aneinandergestützt torkelten sie weiter.
Sie umrundeten einen mannsgroßen Gesteinsbrocken - und fanden sich unvermittelt vor einer Mauer aus Lehm und Schichtsteinen wieder. Sie war zwei Meter hoch und beschrieb einen weiten Bogen, der ins Endlose zu reichen schien.
Warum hatten sie das Bauwerk nicht schon früher entdeckt? Wirkte hier derselbe Zauber, der auch die Endlose Düne vor ihren Blicken verborgen hatte?
Die Menschen versammelten sich entlang der Mauer und betrachteten sie verständnislos. Jack unterhielt sich mit Najid, der müde nach links deutete.
Lauras Magen zog sich zu einem Klumpen zusammen. Die Schmerzen drohten sie zu Boden zu zwingen, in den glühend heißen Sand, wo sie liegen bleiben würde, um irgendwann einmal aufzuhören, zu atmen und zu denken, einfach so, weil ihr Körper das Interesse am Leben verloren hatte und sie keine Kraft mehr fand, dieser Schwäche etwas entgegenzusetzen ...
»Das Haupttor der Stadt ist ganz nahe«, hörte sie Jack krächzen. »Hundert Meter noch! Eine letzte Anstrengung, dann haben wir es geschafft. Denkt dran: Schatten. Kühle. Ruhe. Kristallklares Wasser ...«
Wasser. Flüssigkeit, die ihre Lippen benetzte, die diese schreckliche Trockenheit in ihrem Mundraum beseitigte. Die ihre Haut reinigte und ihre Lebensgeister weckte.
»Weiter, Zoe!«, hörte sie sich sagen. Schritt für Schritt zog sie die Freundin mit sich. Vorbei an stumpfsinnig vor sich hin starrenden Menschen, die hier und jetzt zu scheitern drohten. Sie fand keine Worte der Aufmunterung mehr. Sie war leer. Fertig. Nur noch aufs eigene Überleben fixiert.
Es ging einen Pfad entlang, der kaum als solcher erkennbar war. Eine Windböe pfiff zornig über sie hinweg, als sei irgendein Gott wütend über ihre Hartnäckigkeit und wollte sie auf diesen letzten Metern vor ihrem Ziel niederstrecken.
Tatsächlich: ein Tor. Ein Tor, dessen Sturz aus einem monolithischen, nur grob behauenem Fels bestand. Die Portalsteher hingegen waren filigran und feinst bearbeitet.
Laura achtete nicht auf die vielen Schrift- und Keilzeichen, die rings um das Tor in die Mauer geschlagen worden waren. Sie vermittelten ein unangenehmes Gefühl, doch sie scherte sich nicht darum. Denn nur wenige Meter hinter dem Tor sah sie die steinerne Einfassung eines Ziehbrunnens. Ein lederner Eimer schwang an einem dicken Seil im Wind.
Wer auch immer konnte, wankte weiter. Hin zum Brunnen. Hin zu neuem Leben.
Jack und Andreas waren die Ersten. Sie stützten sich gegen das in die Trägerbalken eingefasste Rundholz und lösten in einer gemeinsamen Anstrengung die metallene Kurbel. Der Eimer bewegte sich ein wenig, blieb an einem Hindernis hängen. Es bedurfte einer weiteren Anstrengung der beiden Männer, um ihn weiter abzusenken, bis sich das Halteseil plötzlich und mit einem Ruck rasant abzuwickeln begann.
Laura schleppte sich zum Brunnen und versuchte, ins Dunkel hinabzuspähen, um den Fall des Eimers zu verfolgen. Doch da war bloß Schwärze. Sie konnte einzig einige Streifen kargen grünen Mooses erkennen, die sich in die Tiefe zogen und zumindest einen Hauch von Hoffnung verbreiteten, dass der Brunnen tatsächlich noch Wasser fasste.
Ein dumpfes Geräusch. Weit, weit weg. Der Ledereimer war irgendwo aufgeprallt, nur zwei bis drei Meter vor dem Ende des Seils.
Jack betätigte die Kurbel - und schaffte nicht einmal eine Umdrehung, bevor er völlig entkräftet loslassen musste. Andreas kam ihm zu Hilfe. Gemeinsam drehten und drehten sie, hievten den Eimer Stück für Stück höher. Laura gesellte sich zu ihnen, hängte sich mit beiden Händen an der Kurbel ein, sobald sie den oberen
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