Schattenlord 4 - Der Fluch des Seelenfängers
neugierig, tuschelten und kicherten. Je weiter entfernt sie saßen, desto weniger interessierten sie sich für die Fremden, gaben sich ganz den Genüssen hin, lachten und schwatzten.
Zahlreiche junge Männer und Frauen wieselten zwischen Bankett und Küche hin und her, um vor allem für Nachschub an Getränken zu sorgen. Eine Gruppe Musiker spielte unaufdringlich fröhliche Weisen.
Laura empfand es als tolle Stimmung, vor allem deswegen angenehm, weil niemand über die Stränge schlug.
Die Gastgeber ließen die Menschen und die zwei Elfen zunächst in Ruhe speisen und beobachteten sie vergnügt dabei, wie sie zuerst ein wenig zurückhaltend, dann aber voller Begeisterung ihre Teller füllten.
»Wie lange herrscht Ihr hier schon?«, wollte Laura zwischen zwei Bissen wissen; damit verstieß sie vielleicht gegen die Etikette, aber darum kümmerte sie sich aus Gewohnheit nicht.
Es war wie eine kleine Rache an ihren konventionellen - ach was, deutlich spießigen - Eltern, die größten Wert legten auf den heuchelnden Schein »guten Benehmens«, was man tat oder nicht tat und dergleichen. Laura hatte erlebt, wie geschäftliche Erzrivalen, die sich abgrundtief verabscheuten, herzlich begrüßten und miteinander plauderten, als wären sie die besten Freunde. Was dann hintenrum zu hören war oder wie sie jede dadurch gewonnene Information nutzten, um dem anderen zu schaden - einfach widerlich.
Schon früh hatte Laura ihren eigenen Standpunkt vertreten und sich nicht angepasst; damals hatten die Eltern es auf »Pubertätsprobleme« geschoben und in stiller Missbilligung darüber hinweggesehen. Ab ihrem achtzehnten Geburtstag hatten sie keine Geduld mehr aufgebracht und deutliche Kritik geübt. Das hatte zum ersten Eklat geführt, der schließlich zu Beginn des Studiums im Bruch endete.
Manibert und Hulda waren allerdings unkonventionell, es störte sie überhaupt nicht, dass der Gast das Wort ergriff und ohne Umschweife oder in blumiger Ausschmückung eine Frage stellte.
»Es müssen Jahrhunderte sein«, antwortete der Baron und die Baronin kicherte. »Ja, wir haben uns gut gehalten.«
»Dann ... seid Ihr gar keine Menschen?«
»Wir sind Menschen, aber wir aus Innistìr sind anders als ihr Reinblütigen. Durch unsere Adern fließt immer ein Anteil fremdes Blut, vor allem das der Elfen. Dadurch leben wir länger, und nicht wenige von uns verfügen auch über bescheidene magische Kräfte.«
Die beiden sahen Laura nun auffordernd, fast gierig an. »Könnten wir eine Geschichte aus deiner Welt hören, liebliche Laura?«, zirpte Hulda mit spitzem Mündchen. »Ich brenne darauf, zu erfahren, wie die Mode bei euch ist!«
»Es ist alles ganz anders und sehr fremd«, antwortete Laura lächelnd. Sie hatte sich schon ein wenig zurechtgelegt, was sie erzählen wollte, und kam der Aufforderung deshalb unverzüglich nach.
Im Lauf des Abends kamen sie dann doch auf die Verhältnisse Innistìrs zu sprechen, und das Herrscherpaar äußerte sich kritisch über Alberich. »Wenn nur Königin Anne und König Robert endlich zurückkehrten!«, lamentierte der Baron. »Niemand weiß, wohin sie verschwunden sind ...«
»Vielleicht sind sie schon tot?«, äußerte Norbert Rimmzahn auf seine gewohnte pragmatische Weise.
»Oh nein«, widersprach Hulda. »Wenn dem so wäre, wäre das Reich zum Tode verurteilt und würde zerfallen. Es ist eng an seine Schöpferin gebunden. Eines Tages vielleicht mag es unabhängig sein, doch nicht jetzt, solange der Wiederaufbau nicht abgeschlossen worden ist.«
»Und nun liegt wieder alles in Trümmern, es ist ein Jammertal.« Manibert seufzte. »Königin Anne muss erneut von vorn beginnen, und wir können nur hoffen, dass sie auch den Willen dazu hat.«
»Ihr Gemahl hat einen guten Einfluss auf sie, er wird uns nicht im Stich lassen«, bekräftigte Hulda.
»Gibt es denn irgendwelche Anhaltspunkte, wo wir nach ihnen suchen könnten?«, erkundigte sich Laura.
Die beiden Adligen starrten sie überrascht an, hektische Flecken bildeten sich auf ihren Pausbacken. »Wieso willst du nach ihnen suchen?«, fragte Manibert und sah die Reisenden der Reihe nach an. »Oder etwa ihr alle?«
»Weshalb nicht?«, fragte Jack zurück. »Wir können ohnehin nichts anderes tun. Wenn wir nach Hause gelangen wollen, brauchen wir Königin Annes Hilfe. Uns bleibt dazu nicht viel Zeit.«
Manibert und Hulda betrachteten sie jetzt mit Respekt.
»Erstaunlich! Und sehr tapfer. Ihr wisst so wenig über dieses Land und seine
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