Schattenlord 4 - Der Fluch des Seelenfängers
die Baronin. »Es ist nur bekannt, dass Alberich im Palast einfiel und das Paar daraufhin verschwunden war. Er hat jeden Mauerstein umgedreht, und Leonidas, weil wir gerade von ihm gesprochen haben, ist beständig auf der Suche. Er reitet von Stadt zu Stadt, von Gehöft zu Gehöft auf der Jagd nach einer Spur, sehr zum Leid der Unschuldigen, die er dabei verhört.«
»Deshalb sind wir sehr erstaunt über euer Vorhaben«, sagte der Baron. »Wie soll euch gelingen, was dem Drachenherrscher unmöglich ist?«
»Weil wir nichts anderes zu tun haben, wie gesagt«, antwortete Milt. »Es ist nicht unsere Art, den Kopf in den Sand zu stecken.«
Laura nickte. »Wir haben keine Verantwortung für Land und Leute, wir sind Gestrandete. Das ist unser einziges Ziel, an das wir uns klammern können. Vielleicht gelingt es uns, weil wir diesem Reich nicht verhaftet sind.«
»Ihr solltet euch beeilen«, sagte da jemand neben Milt. Ein faltiger Mann mit langem grauem Bart, in der Kleidung eines Gelehrten. Bisher hatte er schweigend vor einem Becher Wein gesessen. »Ein Krieg wird heraufziehen, und das schon bald.«
Baronin Hulda stand abrupt auf. »Genug der düsteren Reden!«, rief sie so laut, dass schlagartig alle Gespräche verstummten. Auch die Musik erstarb. »Wir haben gespeist und getrunken, nun lasst uns feiern! Diener, bringt mehr Wein und Met, Bier und Hochprozentigen! Musikanten, spielt auf zum Tanz!«
In Lauras verwirrte Gedanken hinein dröhnte die Musik, nun hallenfüllend und mitreißend. Schon formierten sich die Ersten zum Reigen, aber auch Paare drehten sich bereits um die Banketttafel herum. Hübsche junge Mädchen schwärmten aus und holten die zuerst erschrockenen, dann geschmeichelt dreinblickenden Norbert und Maurice, anschließend Andreas, Jack, Finn, und die beiden Elfen waren ebenfalls nicht mehr zu sehen.
»Tanz!«, forderte Hulda Laura auf. »Das wird dir guttun, Liebes.«
Bevor sie etwas erwidern konnte, stand Milt auf und ergriff ihre Hand. »Komm!«
Verdattert folgte sie ihm, als er sich mit ihr um die ausgelassen Tanzenden mischte, legte einen Arm um sie, ergriff ihre Hand und hielt sie an seine Brust, während er sich mit ihr zu drehen begann. Aber keineswegs im Takt zur Musik, sondern langsam, als hörten sie gerade eine Liebesschnulze.
Laura ließ es geschehen. Sie spürte die Wärme von Milts Körper, die leicht angespannten Armmuskeln. Unwillkürlich erinnerte sie sich an den Moment nach dem Absturz, als er sie aus den Trümmern des Flugzeugs gezogen hatte.
Es tat ihr wohl, ihn so nahe zu spüren. Sein Arm umfasste sie weich, seine Hand strich leicht über ihren Rücken.
»Ich kann gar nicht tanzen«, sagte er. »Aber ich schaue nicht zu, wie dieser Nordire oder ein anderer dich holt.«
Sie legte statt einer Antwort den Kopf an seine Brust. Ihr war ohnehin nicht nach Tanzen zumute. Sich langsam durch den Wirbel um sie herum zu bewegen, ruhig zu sein unter dem Musiklärm und dem Gelächter der Tanzenden tat gut. Eine eigene Geschwindigkeit, in der es nur sie beide gab. Milts Ruhe floss zu ihr herüber.
»Inzwischen sind wir einen weiten Weg gegangen«, murmelte Laura, nicht sicher, ob er sie überhaupt hören konnte. »Zum ersten Mal seit vier Wochen bin ich richtig satt, gründlich sauber und nicht in Gefahr.«
»Aber du weißt, dass hier etwas nicht stimmt, oder?« Milts leise, warme Stimme schwang in ihr Gehör.
»Ist das nicht immer der Fall?« Sie hob den Kopf und sah zu ihm hoch. Er war zehn Zentimeter größer als sie und das fand sie jedes Mal aufs Neue tröstlich. Laura war zierlich, sie besaß nicht Zoes Kraft und erst recht nicht ihre beeindruckende Größe.
Milt war genau richtig - nicht so groß und schwer wie Jack, aber auch nicht so schlaksig wie Finn. Ein Glanz lag in seinen ungewöhnlich tiefgrünen Augen, als er ihrem Blick begegnete, der ihr durch und durch ging.
»Ich komme mir vor wie auf einem Maskenball.«
»So ist es auch. Du weißt, was die Elfen gesagt haben. Und hier gibt es wie überall keine Spiegel.«
Das vermisste Laura. Sich verschwommen in matt poliertem Metall zu sehen reichte wohl kaum aus. Vielleicht war das schon zu Johannes' Zeiten so gewesen, wegen der verpönten Eitelkeit. Schließlich hatte er auch keinen Sternenhimmel erlaubt, damit seine Untertanen sich nicht nach etwas Unerreichbarem sehnten.
»Ich glaube, diese Leute hier haben einfach nur Angst, dass es zu Ende gehen könnte, und feiern jeden Tag den Untergang«, sagte sie. »Deshalb
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