Schattenlord 4 - Der Fluch des Seelenfängers
Unverständnis und eine Spur Misstrauen.
Laura zog daraufhin ein versöhnliches Lächeln. »Was weißt du über die Kunst der Bemalung, speziell mit blauer Farbe?«, fragte sie ruhiger. »Wo wird sie angewandt? Oder vielmehr, wo hatte sie ihren Ursprung?«
Die Zofe legte den Kopf leicht schief. »Es ist eine lange Tradition«, antwortete sie. »Ich habe es von meiner Mutter gelernt und die von ihrer Mutter. Ich kann Euch nicht sagen, wie und warum es begann, doch es hat seine Berechtigung und große Wirkung.«
»Gibt es einen Ort, der diese Tradition ganz besonders pflegt? Als Kult beispielsweise, wo man solche Körperbemalung trägt, auch wenn man nicht verletzt ist?«
»Nein, Herrin, das ist nichts Besonderes, diese Tradition gibt es einfach überall.«
Laura schluckte. Sollte sie es wagen? Alles riskieren? Ja. Sie würde an der Reaktion schnell erkennen, ob es ein Fehler war. »Und was ist mit dem Blauen Mal?«
»Das Blaue Mal?« Die Zofe legte die Stirn in Falten. Ihre Nachdenklichkeit war nicht gespielt. »Ich glaube, ich habe einmal davon gehört - eine Geschichte aus Dar Anuin, die mir meine Großmutter ...«
Lauras Herz begann wild zu schlagen. War das der Weg zu Zoe? »Ja?«, drängte sie, als die Pause länger und der Satz nicht zu Ende geführt wurde.
Das Mädchen winkte ab und schüttelte lachend den Kopf . »Kindergeschichten. Dar Anuin ist eine Märchenstadt.«
»Hier in Innistìr?«
»Denkt Ihr, wir erzählen uns keine Märchen? Für uns ist dieses Leben hier Wirklichkeit, kein Märchen. Im Märchen bin ich keine Zofe.« Sie legte erschrocken die Hand an den Mund, dann sprang sie auf. »Ich muss nun gehen. Wenn Ihr noch etwas braucht, zieht bitte an dem Band neben dem Bett, ich werde sofort kommen. Nun entschuldigt mich bitte.«
Bevor Laura etwas sagen konnte, war die Zofe draußen.
»Dar Anuin ist eine Stadt«, murmelte sie und ließ sich ins weiche, warme, duftende Wasser hineinsinken. »Ich muss mir den Namen merken. Vielleicht wurde Zoe dorthin gebracht ...«
Laura lachte, als sie ihre Reisegefährten am Eingang zum Thronsaal wiedersah. Jack hatte seine stoppelkurzen Haare wieder und ein glatt rasiertes Kinn, wie übrigens alle anderen auch bartlos und mit geschnittenen Haaren auftraten. Außerdem in festlicher Kleidung, wie zu einem Kostümfest.
Laura selbst hatte ebenfalls Haarpflege und sogar eine farbliche Auffrischung erhalten; zuerst hatte sie beim Blau gezögert, aber eine Haarfarbe war etwas anderes als ein Mal auf der Haut.
»Deine Haare leuchten!«, stellte Milt bewundernd fest. »Mit deinen Augen um die Wette.« Vergnügt betrachtete er sie.
Laura hatte ein auf Taille gearbeitetes Kleid mit Reifrock erhalten, mit einem spitzengekrönten Ausschnitt und Ärmeln aus Spitze. Sogar passende feine Halbschuhe mit einem zierlichen Absatz hatten sich gefunden, und den Abschluss bildete ein Fächer aus duftendem Sandelholz, der an ihrem Handgelenk hing.
»Du siehst wunderschön aus!«, platzte Finn heraus, beugte sich und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Und jetzt lasst uns essen gehen, ich bin halb verhungert.«
Milt warf Finn einen finsteren Blick hinterher, und Laura ergriff sanft seinen Arm. »Er meint es nur als Kompliment, als Freund«, sagte sie lächelnd. »Finn ist einer, der sich nicht binden will, und ich bin sowieso nicht an ihm interessiert.«
»Geht mich ja auch nichts an«, murmelte er, aber er sah verletzt aus.
Laura spürte, wie sie leicht errötete. Hoffentlich wurde durch Emotionen innerhalb ihrer kleinen Gruppe, in der jeder auf den anderen angewiesen war, nicht alles noch komplizierter ...
»Was es wohl zu essen gibt?«, fragte sie betont fröhlich und hängte sich bei Milt ein.
Die Tafel bog sich unter den schwer beladenen Platten und Schüsseln. Dampfendes, gegrilltes, gebratenes oder gesottenes Fleisch vom Schwein, Vogel, Rind und anderen Tieren, deren Namen den Menschen unbekannt waren. Gemüse, das nach starken Gewürzen duftete, Kräuter und Soßen, frische, gezuckerte, getrocknete und eingelegte Früchte, es gab sogar Schokolade, Milch- und Teigsüßigkeiten, Kuchen und Puddings ...
»Das ist das Paradies.« Finn seufzte hingerissen.
»Das wird es wieder sein!«, rief Baron Manibert über seine bereits zahlreich anwesenden, lärmenden Hofschranzen hinweg und hob den Pokal. »Ein Hoch auf unsere Ehrengäste!«
Ihnen wurden links und rechts zum Paar die Plätze zugeteilt. Die in der Nähe sitzenden Gäste betrachteten die Neuankömmlinge
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