Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenlord 6 - Der gläserne Turm

Schattenlord 6 - Der gläserne Turm

Titel: Schattenlord 6 - Der gläserne Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
dachte sie daran, welche Sorgen sich Milt, Finn und Nidi bestimmt um sie machten, und stand auf.
    »Du hast geschlafen«, sagte Torrok.
    »Ja. Ich habe sogar sehr gut geschlafen.«
    Ein Stück entfernt raschelten Noffurs Zweige. »Schlaf ist wie Tod, nur kürzer.«
    Laura wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, also wechselte sie das Thema. »Ihr habt gestern Nacht gesagt, wir könnten später darüber sprechen, was mit den Wanderern geschieht. Wie wäre es mit jetzt?«
    »Ich glaube nicht, dass ein Gespräch nötig sein wird«, sagte Torrok. Im gleichen Moment trat Laura durch den Vorhang aus herabhängenden Zweigen. Abrupt blieb sie stehen.
    Ein Schrei stieg in ihr auf, aber sie stieß ihn nicht aus, sondern starrte nur stumm auf das Bild, das sich ihr bot. In der Nacht hatte sie ihre Umgebung nicht erkennen können, vielleicht zum Glück, denn sonst hätte sie an diesem Ort wohl kaum übernachtet.
    Von den Bäumen hingen Dutzende Schlingen. Manche waren aus Stricken geknüpft, andere aus Schlingpflanzen geknotet worden. In der leichten Morgenbrise schwangen sie hin und her. Von manchen Wanderern waren nur noch wenige Knochen übrig, andere wirkten wie vertrocknete Rinde oder versteinert.
    »Enden alle hier?«, fragte Laura leise. Es fiel ihr schwer, sich von dem makabren Anblick loszureißen.
    »Die meisten.« Torrok seufzte. »Sie halten nie lange durch. Groddaruk und die anderen verlangen ihnen alles ab. Die ständigen Geschichten und Fragen zehren sie aus, die Streitereien der Bäume rauben ihnen den Schlaf. Wenn sie schließlich nicht mehr können, erlaubt Groddaruk ihnen hierherzukommen. Bei uns finden sie Frieden.«
    »Nachdem das Keuchen und Zucken aufgehört hat«, fügte Noffur hinzu. Die anderen Weiden begannen zu weinen.
    »Du könntest diesen Frieden finden.« Torroks Stimme klang weich und traurig. »Jetzt gleich, wenn du möchtest.«
    Laura wich zurück.
    »Es ist ganz leicht.«
    »Nein.« Sie drehte sich um. Sie war von Trauerweiden umgeben. Es gab keinen anderen Baum in ihrer Nähe. »Ich will zu meinen Freunden. Zeigt mir den Weg.«
    Die Weiden begannen zu säuseln, nicht nur Torrok und Noffur, auch die, die zuvor geschwiegen hatten.
    »Es geht ganz schnell.«
    »Warum es hinauszögern?«
    Blätter raschelten. Äste streckten sich wie Tentakel nach ihr aus. Laura duckte sich unter ihnen und warf sich nach vorn, landete auf dem weichen Waldboden. Sie kam wieder hoch, schlug einen Zweig beiseite. Ein zweiter schlängelte sich um ihren linken Arm. Sie griff danach und riss ihn ab.
    »Au!«, schrie eine Weide hinter ihr.
    »Warum tust du uns weh?«, fragte Torrok. »Wir wollen doch nur dein Bestes.«
    Laura antwortete nicht. Sie wich seinen Zweigen aus, sah einen moosbewachsenen Ast am Boden liegen und hob ihn auf. Wie einen Baseballschläger schwang sie ihn, zertrümmerte Zweige und Äste und schlug damit um sich. Die Weiden schluchzten und weinten; ob sie ihnen wirklich Schmerzen zufügte oder ob sie trauerten, konnte Laura nicht erkennen.
    »Wenn ihr wirklich mein Bestes wolltet«, rief sie, »würdet ihr mir helfen, diesen verdammten Wald zu verlassen!«
    »Aber dann würdest du nur an einem anderen Ort sterben«, sagte Noffur. »Wo wäre da der Sinn?«
    Nur noch eine Weide sah Laura vor sich. Ihre Arme schmerzten, sie keuchte vor Anstrengung, aber als der Baum mit seinen Ästen nach ihr griff, nahm sie ihre letzte Kraft zusammen und schlug zu.
    Holz barst, die Weide schrie auf und zog ihren angebrochenen, herabhängenden Ast hastig zurück. Laura warf ihren Knüppel gegen den Stamm und rannte los.
    Hinter ihr seufzte Torrok schwer. »Du wirst noch wünschen, auf uns gehört zu haben.«
    Vielleicht hast du recht, dachte Laura, als sie in den Wald eintauchte, aber sie hoffte, dass er sich irrte.
    Nach einigen Schritten blieb sie stehen, lehnte sich an einen Baumstamm und wartete darauf, dass sich ihr Atem und ihr Herzschlag beruhigten.
    »Schrecklich, diese Trauerweiden«, sagte eine Stimme über ihr.
    Laura zuckte zusammen. Die Stimme gehörte zu der Kiefer, an der sie lehnte.
    »In ihrer Nähe zu stehen ist wirklich deprimierend.«
    »Kannst du mir den Weg zu meinen Freunden zeigen? Ich habe mich verlaufen.«
    Die Kiefer schüttelte sich. Nadeln rieselten herab. »Erzähl mir zuerst eine Geschichte.«
    »Ja«, sagte ein anderer Baum. »Eine Geschichte.«
    »Nein. Ihr führt mich zurück, danach bekommt ihr eure Geschichte.«
    Das Rauschen der Blätter gab Laura zu verstehen, dass die

Weitere Kostenlose Bücher