Schattenlord 6 - Der gläserne Turm
Sucher?«, fragte Cedric, ohne darauf einzugehen.
»Der Erste.«
»Red keinen Stuss ...« Damit hatte er nicht gerechnet. Hinter seiner konturenlosen Glasmaske hatte der Erste Sucher auf ihn stets arrogant, fremd und autoritär gewirkt. Keine dieser Eigenschaften schien zu Simon zu passen.
»Ich war ebenso überrascht, als du dich zu erkennen gabst«, sagte der Erste. »Masken verändern.«
Cedric drehte den Kopf, als Jack aus der Menge trat. Bislang hatte er die Geschehnisse nur beobachtet, aber nicht eingegriffen. Seit er sich den Iolair mehr oder weniger angeschlossen hatte, saß er zwischen allen Stühlen, gehörte nicht mehr ganz zu den Gestrandeten, aber auch nicht ganz zu den Rebellen. Der Konflikt hatte ihn zusätzlich isoliert.
Aber nun meldete sich Jack doch zu Wort. »Ich kann mich an wenigstens ein Dutzend Situationen erinnern, an denen wir euch Sucher aufgefordert haben, eure Identität preiszugeben, ohne Erfolg. Und nun tust du es freiwillig?«
»Nicht freiwillig, nein.« Simon lächelte. »Glaub mir, ich hätte gern auf diese dramatische Enthüllung und die Aufmerksamkeit des Schattenlords, die ich dadurch möglicherweise auf mich ziehe, verzichtet, aber dann wäre Sandra vielleicht schon tot.«
»Ich bin froh, dass du nicht darauf verzichtet hast«, sagte Luca leise.
Einige nickten, Jack wirkte zweifelnd. Cedric sah sich zu Rimmzahn um, der mit verschränkten Armen zwischen den anderen stand, so als lauere er auf die Gelegenheit, sein Gift zu versprühen.
»Also hast du es für sie getan?«, fragte Jack. Die Zweifel in seiner Stimme waren nicht zu überhören.
Simon breitete die Arme aus, so als wolle er die ganze Gruppe in seine Erklärung einbeziehen. »Für uns alle. Ich weiß, dass du keine besonders gute Meinung von uns Elfen hast, vielleicht sind wir daran zum Teil auch selbst schuld.«
Er betrachtete die Gesichter der Gestrandeten. Ihre Aufmerksamkeit hatte er, das sah Cedric. Ihm kam der Gedanke, dass er sich auf diesen Moment vorbereitet hatte, so als sei ihm klar gewesen, dass er irgendwann kommen würde.
»Wir wirken kalt auf euch«, fuhr Simon fort, »manchmal gewalttätig und ab und zu wohl auch zynisch.»
Einige nickten.
»Aber trotz aller Unterschiede zwischen euch und uns sind wir in den vergangenen Wochen zu einer Gemeinschaft geworden. Wir leiden zusammen, wir kämpfen zusammen, und wenn einer von uns in Gefahr ist, helfen wir. So wie eben. Das ist bei Elfen nicht anders als bei Menschen. Und den Preis für diese Hilfe bezahle ich gern.«
Simon neigte den Kopf. »Aber nun entschuldigt mich bitte. Cedric und ich müssen die anderen Kranken heilen. Es wird nicht lange dauern, und danach stehe ich euch für Fragen zur Verfügung.«
»Auch der Frage, wer die anderen sind?«
Der Erste Sucher lächelte. »Du kennst die Antwort darauf bereits.«
Jemand begann zu applaudieren, langsam und ironisch. Cedric wusste, wer es war, noch bevor er sich umdrehte. Rimmzahn stand zwischen den anderen Menschen und klatschte. Seine Mundwinkel waren nach unten gezogen, die Augen zusammengekniffen.
»Was für eine Vorstellung«, sagte er. »Man könnte meinen, der Oscar solle verliehen werden.«
Es reicht, dachte Cedric. Seine Hände begannen vor Wut zu kribbeln. Er griff nach dem Knüppel, den Felix fallen gelassen hatte, und stürmte auf Rimmzahn zu.
»Es reicht!«, schrie er, als er damit ausholte.
19
Torrok
und Bekka
I hr werdet sofort eine Geschichte erzählen!«
Torroks Stimme hallte durch den Wald. Milt verschränkte die Arme vor der Brust. »Kein Wort, bevor du uns nicht sagst, wo Laura ist.«
»Ich habe dir schon ein Dutzend Mal erklärt, dass sie auf dem Weg hierher ist.«
Finn stellte sich neben ihn. »Dann warten wir so lange.«
Der Zweig einer Kiefer riss den Boden zwischen ihnen auf, ließ Dreck und Sand emporspritzen. Nidi zog sich eine der Decken über den Kopf, wich aber nicht zurück. Finn war stolz auf ihn. Er hatte befürchtet, der Schrazel würde die Front, die sie drei gegen die Bäume bildeten, als Erster verlassen, doch danach sah es nicht mehr aus.
Im Morgengrauen, als Laura immer noch nicht wiederaufgetaucht war, hatten sie beschlossen, den Bäumen ihre Geschichten zu verweigern. Zuerst hatte Groddaruk sie nicht ernst genommen, mittlerweile wurde er jedoch wütender und seine Drohungen deutlicher.
»Ich glaube, ihr verkennt eure Lage«, sagte er, »Ein Befehl von mir, und ihr seid tot.«
Finn dachte an das Feuer, das ihm erstaunlich schnell
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