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Schattenlord 6 - Der gläserne Turm

Schattenlord 6 - Der gläserne Turm

Titel: Schattenlord 6 - Der gläserne Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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»Wozu?«
    Dann atmete sie tief durch. Die Gesichter im Spiegel verschwanden. Das Glas wurde milchig. Graue Wirbel zogen darüber wie Unwetterwolken über einen weißen Himmel. Dann zeigte der Spiegel plötzlich ein Bild: ein vertrautes Gesicht, umgeben von goldbraunem Fell.
    »Nidi?«, fragte Milt überrascht. »Und was macht die fette Frau da neben ihm?«
    »Das ist unsere Herrscherin, Ihre Majestät Ke-Amarihye.«
    »Oh, ’tschuldigung.«
    Rees runzelte die Stirn. »Wieso zeigen die Geister mir dieses Wesen? Ist es aus Gold?«
    »In gewisser Weise«, sagte Finn ausweichend, weil er es selbst nicht wusste.
    Die Wahrsagerin hakte nicht nach. Kurz pustete sie gegen den Spiegel, und das Bild verschwand. Die grauen Wirbel kehrten zurück. Finn starrte darauf, bis ihm schwindelig wurde.
    »Er will nicht gefunden werden«, sagte Rees. Finn hörte, wie sehr sie sich anstrengte. »Wartet, ich versuche es noch einmal.«
    Ihre Hand begann zu zittern, dann plötzlich klarte das Bild auf und enthüllte eine lange goldene Klinge. Sie lag in einem gläsernen Gestell in einem dunklen Raum. Finn sah, dass sie vibrierte.
    »Wo ist das?«, fragte Milt. Aufgeregt beugte er sich vor.
    Das Bild schwang herum, zeigte die Klinge nun von der anderen Seite. Der Dolch war schlicht, sein Griff unverziert, die Klinge lang wie ein Unterarm und spitz wie ein Degen.
    Und damit sollen wir Alberich umbringen?, fragte sich Finn. Er hatte etwas Massiveres und irgendwie Düstereres erwartet, nicht diese einfache, gerade Klinge.
    Wieder wechselte der Blickwinkel. Dieses Mal blickte Finn über die Spitze des Dolches hinweg auf eine Öffnung in der Wand des Raums. Darunter breitete sich die Gläserne Stadt aus.
    »Die Flöte«, stieß Milt im gleichen Moment hervor. »Der Dolch ist im Mundstück der Flöte.«
    Rees ließ ihre Arme sinken. Schwer atmend saß sie im Sand. Das Bild im Spiegel verschwand, und an seine Stelle trat ihr verzerrtes Gesicht.
    Finn legte der Wahrsagerin die Hand auf die Schulter. »Ist alles in Ordnung?«
    Sie nickte. »Ich weiß nicht, weshalb ihr den Dolch sucht«, sagte sie zwischen kurzen Atemzügen, »aber er hat sein Möglichstes getan, um nicht gefunden zu werden. Solche Kräfte sind gefährlich. Ihr solltet vorsichtig sein.«
    »Das werden wir.« Finn stand auf. »Danke.«
    Er wandte sich mit Milt bereits ab, doch dann hielt ihn seine Neugier zurück. »Warum lebst du hier unten im Dreck und nicht oben bei den anderen Krii?«, fragte er.
    Rees erhob sich langsam. »Weil die Transparenz des Glases unsere Verderbnis ist, das sagte ich doch schon. Nur hier unten kann ich sein, wer ich wirklich bin.« Sie sah an sich hinunter. »Den Preis dafür zahle ich gern.«
    »Gibt es irgendetwas, das wir dir bringen können als Dank für deine Hilfe?«
    Rees hob stolz und trotzig den Kopf. »Ich habe alles, was ich brauche.«
    Finn nickte ihr zu, dann kehrten er und Milt in die Gläserne Stadt zurück.

31
    Der Neid
    der Gefallenen
     
    A swig warf nur einen Blick auf Hubert, dann wandte er sich ab. »Er ist wie die anderen. Dem kannst du nicht helfen.«
    Seine Gleichgültigkeit schockierte Andreas, doch dann dachte er daran, wie viele Seelen der Junge in seinem Leben wohl schon gesehen hatte. Jeder stumpfte irgendwann ab.
    »Und was machen wir jetzt mit ihm?«, fragte er.
    »Nichts. Das Schiff wird sich um ihn kümmern und der Käpt’n.«
    »Du meinst Fokke?«
    Aswig runzelte die Stirn. »Woher kennst du seinen Namen?«
    Andreas zögerte. Er wusste nicht, ob und wie weit er dem Jungen vertrauen konnte, deshalb antwortete er nur vage: »Ich kenne Leute, die mal mit dem Seelenfänger zu tun hatten.«
    »Aha.« Aswig schien zu bemerken, dass Andreas ihm auswich, aber er hakte nicht nach. »Hast du die anderen Seelen schon kennengelernt?«, fragte er stattdessen.
    Andreas schüttelte den Kopf. »Nein, außer Hubert und dir bin ich hier noch niemandem begegnet.«
    Sie verließen den Frachtraum und stiegen die Treppe hinauf zum nächsten Deck. Es war groß, aber dunkel und stickig. Überall hingen Hängematten, meistens zwei übereinander, dabei war die Decke gerade hoch genug, dass Aswig sich nicht bücken musste. Andreas ging geduckt unter den Balken her, auch wenn er wahrscheinlich einfach durch sie hätte hindurchgehen können. Doch der Gedanke, dass sein Kopf ein Deck höher als sein Körper war, irritierte ihn so sehr, dass er es nicht ausprobierte.
    »Sind die Seelen hier irgendwo?«, fragte Andreas.
    »Überall.« Aswig setzte

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