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Schattenlord 6 - Der gläserne Turm

Schattenlord 6 - Der gläserne Turm

Titel: Schattenlord 6 - Der gläserne Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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ein Mantra. Fisher sah ihn die ganze Zeit über an, schweigend und reglos. Die schwarzen Fäden in seiner halb transparenten Gestalt bewegten sich, krochen ineinander wie Schlangen.
    Komm schon, dachte Andreas. Erinnere dich.
    Fisher öffnete den Mund. Einen Moment lang verschwamm seine Seele vor Andreas’ Augen. Sie vibrierte, dann kehrte die Schärfe zurück, und Fisher stand ruhig da. Die Fäden und Flecken bewegten sich nicht mehr.
    »Glaubst du, dass es mich interessiert, wer oder was ich einmal war?«
    Andreas’ Hoffnungen zerplatzten.
    »Es zählt nur, was ich jetzt bin«, fuhr Elias fort. »Meine Aufgabe ist, den Kapitän zu stärken und ihm zu dienen, damit er auf den kommenden Krieg vorbereitet ist. Jede Seele zählt, aber deine ist etwas ganz Besonderes. Deine Wärme ist so ...« Sein Lächeln verzerrte sein Gesicht bis zur Unkenntlichkeit. »... verführerisch. Selbst Fokke wird nicht auffallen, wenn etwas davon fehlt.«
    Er streckte die Arme aus, um Andreas zu berühren, doch der duckte sich unter dem Griff, tauchte unter der Treppe durch, die zum Oberdeck führte, und kam auf der anderen Seite wieder zum Vorschein. Die Seelen folgten ihm. Mit ausgestreckten Armen wankten sie über das Deck. Matrosen, die in ihre Nähe kamen, wichen zurück oder klapperten plötzlich mit den Zähnen. Einer ließ sein Werkzeug fallen und lief unter Deck.
    »Ein wenig Wärme«, flüsterte Elias. »Du wirst sie bestimmt nicht vermissen.«
    »Nur ein bisschen.« Hubert tauchte hinter ihm auf, eingeklemmt in die Menge aus grauen, verzweifelten Seelen. »Mir ist so kalt.«
    »So kalt«, wiederholte ein anderer.
    Andreas stieß gegen die Reling. Hektisch sah er sich nach einem Ausweg um, aber die Seelen blockierten die Tür zu den unteren Decks und kreisten ihn rasch ein. Irgendwie war Elias wieder an ihre Spitze gelangt.
    »Du hast so viel«, sagte er, während er die Hand ausstreckte, »und doch willst du nichts davon abgeben. Aber wir werden dir schon noch beibringen, uns zu respektieren.«
    Seine Fingerspitzen berührten Andreas’ Wange. Es fühlte sich an, als bohre sich ein Eiszapfen in seine Haut. Andreas schrie auf und wollte die Hand beiseiteschlagen, aber andere Seelen warfen sich auf ihn und hielten ihn fest. Eine wurde über die Reling gerissen, als er sich wehrte, stand aber direkt wieder vor ihm und ergriff seine Hand.
    »Wärme«, flüsterte sie.
    Andreas schrie vor Schmerzen und schlug um sich. Die Sklaven, die das Deck geschrubbt hatten, warfen sich wimmernd auf die Seite und pressten die Hände auf ihre Ohren. Zwei Matrosen schrien einander an.
    »Schluss jetzt!«
    Eine Peitsche fuhr zwischen die Seelen. »Weg da! Haut ab!«, brüllte der Steuermann. »Ihr macht mir noch die ganze Mannschaft verrückt.«
    Die Seelen wichen zurück. Die Peitsche hinterließ lange feuerrote Striemen auf ihrer Haut, die Andreas sogar im Grau seiner Welt leuchten sah.
    Elias war der Einzige, der sich dem Steuermann entgegenstellte. »Wir wollen nur einen Anteil, Kramp«, sagte er. »Den haben wir uns verdient.«
    Kramp hob die Peitsche. »Ich geb’ dir gleich, was du verdient hast! Hau ab!«
    Einen Augenblick lang sah es so aus, als würde es zu einer Konfrontation zwischen den beiden kommen, doch dann wich Elias zurück. »Wie du willst«, sagte er leise.
    Andreas stand auf. Seine Hand und seine Wange waren wie betäubt. Die Finger der Seelen hatten weiße Abdrücke auf seiner Haut hinterlassen, die sich nun langsam wieder mit Grau füllten.
    Kramp sah ihn an. Die Peitsche hing locker in seiner Hand. »Und was dich betrifft«, sagte er. »Es ist Zeit, dass der Käpt’n von dir erfährt.«
    »Er weiß es schon«, sagte eine tiefe Stimme.
    Andreas drehte den Kopf und schluckte.
    Vor ihm stand Barend Fokke.

32
     
    Disharmonien
     
    I hr habt der Herrscherin Nidi geschenkt?«
    Laura seufzte. »Nein, Finn, es war ein wenig anders. Um genau zu sein, hat Breynu Nidi verschenkt.«
    Sie standen in seinem Haus um den Tisch herum; der Krii war der Einzige, der saß.
    »Das stimmt nicht«, sagte er. »Ich habe nicht geahnt, dass Ke-Amarihye ihn als Geschenk betrachten würde.«
    »Du hast dich aber auch nicht gerade bemüht, dieses Missverständnis aufzuklären.« Sie war so wütend, dass sie das Glashaus am liebsten zerschlagen hätte. Sie sah Milt an. »Er hat für seine Mühen nämlich ein Anwesen auf der vierten Ebene bekommen.«
    »Ist das wahr?«
    Breynu seufzte und rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. »Ja, es ist wahr,

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