Schattenlord 7 - Das blaue Mal
Auftrag auf der Suche nach einer Frau mit einem Blauen Mal gewesen war, hatte er die umgebenden Ländereien gequert, war kreuz und quer geritten, um so viel Zeit wie möglich außerhalb der Stadt zu verbringen, unruhig und stets auf der Suche nach etwas, das er sich selbst nicht erklären konnte. So zumindest hatte er Zoe sein Verhalten klarzumachen versucht.
»Ich weiß nicht, was diese Unruhe bewirkt«, antwortete er auf Zoes drängende Fragen. »Sie steckt in mir drin, sie ist ein Teil meines Selbst.«
Sie blickte sich um. Mehr als zwei Dutzend Reiter flankierten sie. Schweigende Gesellen, die sich Tücher vor den Mund gebunden hatten. Mit unverhohlener Neugierde betrachteten sie die beiden. Wer war sie, dachten sie wohl, dass sie Laycham dazu gebracht hatte, aus seinem goldenen Käfig auszubrechen, ungeachtet der Gefahren, binnen kurzer Zeit innerlich zu verfaulen und zu sterben?
Der Prinz trug die lebensverlängernden Phiolen stets bei sich, in den Satteltaschen des Schecken, den man ihm überantwortet hatte. Noch hatte er keine verwenden müssen, noch hielt jene Dosis an, die er in Empfang genommen hatte, nachdem er Zoe an Maletorrex übergeben hatte.
Diese schreckliche Zeit ist schon wieder so weit weg, dachte sie. Wie lange war ich in Dar Anuin gefangen? Zwei Wochen oder drei?
Zunächst hatte nur die Flucht gegolten, die Notwendigkeit, Dar Anuin so weit wie möglich hinter sich zu lassen. Aber schon bald würde Laycham sie fragen, wohin sie überhaupt wollte - und sich selbst fragen, was sein Ziel sein konnte. Er würde sich der Konsequenz bewusst werden, die seine Flucht mit sich brachte: dass er fortan ein Heimatloser war. Hoffentlich bereute er nicht zu schnell.
Zoes Ziel stand fest, sie musste zum Palast Morgenröte, wo Königin Anne residierte und Laura hoffentlich inzwischen eingetroffen war. Königin Anne, Schöpferin von Innistìr, war die Einzige, die ihnen den Weg nach Hause ermöglichen konnte. Und Zoe hatte es verdammt eilig, denn ihre Frist lief ab. Sie hoffte, dass Prinz Laycham sie dorthin führen konnte.
Wie von selbst ging ihre Rechte zu ihrer Maske. Einmal mehr versuchte sie, das verdammte Ding zu lösen, und einmal mehr scheiterte sie.
Laycham und sie waren gezeichnet. Beide erwartete ein baldiger Tod. Und dennoch fühlten sie sich wohl. Sie waren frei, frei vom Druck, den ihnen die Priester in Dar Anuin auferlegt hatten, und frei von der stickigen Atmosphäre, die über dieser wundersamen Stadt hing wie eine Dunstglocke.
Etwas irritierte Zoe. Eine Art Lichtreflex.
»Was ist das?«, fragte sie beunruhigt und deutete nach vorne. »Truppen aus Dar Anuin, die uns überholt haben und nun frontal auf uns zureiten?«
»Nur Günstlinge der Bruderschaft haben das Recht, die Stadt zu verlassen, und ich glaube kaum, dass sie es auf eine offene Konfrontation ankommen lassen würden. Außerdem bezweifle ich, dass sie so rasch vorwärtsgekommen sind. Wir müssen uns vor jenen fürchten, die uns folgen.« Laycham legte eine Hand schützend über die Augen und kniff sie zusammen. »Was du siehst, sind die Umrisse der Gläsernen Stadt.«
»Die Gläserne Stadt?«, fragte Zoe interessiert.
»Sie ist ein weiteres Mysterium Innistìrs - und womöglich noch geheimnisvoller und noch isolierter als Dar Anuin.«
»Ach ja? Mein Bedarf an seltsamen Städten ist für die nächsten hundert Jahre gedeckt.«
»Ich dachte, ihr Menschen wärt kurzlebig. Hundert Jahre erscheinen mir ein reichlich langer Zeitraum für eine wie dich.«
»Wie abfällig du das sagst ... eine wie dich ...«
»Ich wollte dich nicht beleidigen. Verzeih mir.«
Sie mochte diesen Kerl, der so wohlerzogen war und dennoch mit Worten kaum umzugehen wusste. Immer wieder nahm er völlig unpassende, mitunter beleidigende Worte in den Mund - und war dann völlig zerknirscht, wenn er feststellte, dass er wieder mal ins Fettnäpfchen getreten war.
»Erzähl mir mehr von der Gläsernen Stadt«, forderte Zoe den Prinzen auf.
»Ich weiß nicht viel über sie. Shire ... meine Mutter erzählte mir, dass sie nur auf magischen Pfaden zu erreichen und zu betreten sei.«
»... während ihr Fremde immerhin bis vor die Tore Dar Anuins gelangen lasst, um ihnen dann mitzuteilen, dass sie in der Stadt nichts zu suchen hätten. Innistìr ist ein seltsames, widersprüchliches Land. Ein Fleckenteppich, in dem sich die unterschiedlichsten Kulturen und Lebensformen ausgebreitet haben. Nichts scheint zusammenzupassen.«
»Es gibt innere Zusammenhänge.
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