Schattenlord 7 - Das blaue Mal
Dort, wo sie herkommt, gibt es weitere. Schickt Laycham los und lasst ihn eine neue besorgen.«
»Du hast kein Recht, darüber zu urteilen! Wenn du sie nicht augenblicklich aus deinem Bann entlässt, sorge ich dafür, dass du dem Totenreich möglichst lange erhalten bleibst. Hast du mich verstanden?«
»Du meinst, dass mich diese Drohung erschreckt? Du kennst mein Schicksal. Ich habe schon längst alle Angst verloren. Diese Schlampe ist mir unsympathisch.«
»Epimos!«
Lirlas Stimme gewann an Schärfe. Da mischte sich ein Unterton dazu, dessen Grauen Zoe selbst in ihrem katatonischen Zustand erfasste. Hier kämpften zwei Wesen gegeneinander, auf einer Ebene, die sie nicht verstand und die sie niemals kennenlernen wollte.
Lass es Vorbeigehen! Bitte! Hol mich zurück ins Leben!, bettelte Zoe, ohne sagen zu können, an wen diese Gedanken gerichtet waren.
Sie fühlte, wie ihr Herz wieder zu schlagen begann. Wie ihr Körper allmählich wieder zum Leben erwachte und sie sich selbst zu spüren begann. Zoe spie Speichel aus, hustete, atmete kräftig durch, kam torkelnd auf den eigenen Beinen zu stehen.
»Meinetwegen soll sie leben«, hörte sie Epimos sagen. »Sie macht’s ohnedies nicht lange. Baran meinte, dass sie keine Woche durchhalten wird.«
»Baran ist ein altes Tratschweib, das keine Ahnung hat.« Lirla stützte Zoe und schob sie vor sich her auf die schmale Treppe zu, vorbei an dem so unschuldig dreinblickenden Knaben.
Zoe setzte einen Fuß vor den anderen. Stieg die ausgetretenen Stufen hoch, und mit jedem Schritt fühlte sie sich kräftiger.
»Du solltest deine Zunge besser im Zaum halten«, mahnte Lirla. »Epimos mag bloß ein Wächter sein, aber er ist auch ein mächtiges Geschöpf, das dem Tod geweiht ist und nichts mehr zu verlieren hat. Du bist die Herrin mit dem Blauen Mal! Deine Aufgabe ist, ausgleichend zu wirken und den Bewohnern Dar Anuins ein Vorbild zu sein. Seien es nun die elfischen Bewohner der Stadt oder jene, die dir in den beiden Palästen zu Diensten stehen. Merk dir, Zoe: Der oberste Herrscher dieser Stadt ist zugleich ihr niederster Diener.«
»Verstanden«, mümmelte sie und war froh darüber, dass die Syndicatin sie die Treppen hochschleppte.
Teufel schlug seine Krallen tief in ihr Fleisch. Er spürte, dass seine Besitzerin angeschlagen war, und er nutzte die Gelegenheit, Zoe seine Freude über ihre Schwäche deutlich zu machen.
Der Oberpalast ... Was Zoe zu sehen bekam, wirkte anfänglich enttäuschend.
Niedrige und schmale Räume zogen sich durch das Innere des Vulkangrats. Da und dort gab es geräumige Zimmer. Die Einrichtung war nüchtern, von Luxus kaum eine Spur. Am meisten faszinierten Zoe die Bullaugen, die, meist hinter Teppichen aus Grünpflanzen versteckt, den Ausblick auf das weite Land erlaubten, das Zoe in Gefangenschaft des Silbernen durchquert hatte.
Was unter magischem Einfluss wie ein Garten Eden gewirkt hatte, offenbarte sich nun als kahle Einöde, als Landschaft mit Wüstencharakter. Abgesehen von jener Felsformation, die zum Himmelstor führte, waren nirgendwo weitere Erhebungen zu entdecken. Der Vulkankegel Dar Anuins stellte inmitten dieser Weite eine seltsame Anomalie dar; eine Grünoase inmitten lebensfeindlichen Landes. Ein Teil des Vulkanrunds wurde von reißendem Wasser umspült, das fontänenartig und laut brüllend aus der Erde hochschoss und sich außerhalb von Zoes Blickfeld in der Steppe verlief.
»Das Bad ist gerichtet«, unterbrach Lirla ihre Gedanken. Sie klatschte in die Hände. Schlanke und blasse Frauen, Elfen, kamen herbeigehuscht. Sie machten sich an Zoes Bekleidung zu schaffen, und urplötzlich stand sie nackt vor Lirla.
»Gute Figur«, sagte die Blondine und umrundete sie, die prüfenden Blicke stets auf Zoes Körper gerichtet. »Ein wenig klein zwar, aber schlank und ausreichend gut proportioniert. Die Schneiderinnen werden weniger Arbeit mit dir als mit den meisten deiner Vorgängerinnen haben.«
»Ausreichend gut proportioniert?«, wiederholte Zoe fassungslos. »Moment mal ...«
»Die Problemzonen bekommen wir mit gezielten Übungen rasch in den Griff, und mit einigen minderen Zaubern werden wir die überflüssige Behaarung beseitigen.«
»Ich darf doch bitten ...«
»Was den ungesund kräftigen Teint betrifft, werden wir wohl mehr Mühe haben, um ihn zu verbergen. Aber auch das lässt sich machen. Zuallererst müssen wir den Reisestaub aus deinen Poren bekommen. Ist die Dampfkammer bereit? Die Baderinnen? Die
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