Schattenlord 7 - Das blaue Mal
habe.«
»Ist das so? Und wenn ich es ihr untersage?«
»Die Syndicatin lässt sich nichts verbieten. Du magst gewisse Rechte genießen. Aber sie allein gebietet über die Dienerschaft im Oberpalast.«
»Wer ist sie? Warum besitzt sie so viel Macht?«
»Sie hat sie den Priestern zu verdanken. Es gibt Gerüchte, warum sie dieses Amt ausübt ...«
»Und zwar?«
»Nichts von Substanz, Herrin.« Aramie seufzte. »Die einen meinen, dass sie ein künstlich erzeugtes Geschöpf sei. Die anderen sagen, dass sie mit einem Fluch belegt worden wäre und über mehrere Jahrtausende hinweg strafhalber als niederes Wesen leben müsse. Epimos flüsterte mir einmal zu, dass sie eine wie er wäre, allerdings mit weniger Rechten ausgestattet.«
»Das kann alles und nichts bedeuten. Ist Epimos denn glaubwürdig?«
»Er lügt, sobald er den Mund aufmacht. Er ist der größte Intrigant im Palast und hat schon mehr als eine Herrscherin zu Fall gebracht. Doch die Priester legen Wert auf seine Dienste.«
Zoe blieb vorsichtig. Seit ihrer Ankunft in Dar Anuin war sie in ein Gespinst aus Vermutungen, Halbwahrheiten und Gerüchten eingewoben worden. Auch Aramie mochte Teil des Intrigantenstadels hinter diesen dicken Mauern sein und ihr eigenes Spiel spielen. Jedes ihrer Worte musste mit viel Vorsicht genossen werden.
»Wer oder was ist Epimos?«
»Ich weiß es nicht«, gestand die Dienerin. »Er tut bereits viel länger als ich Dienst hier. Er hat sich niemals über seine Rolle im Palast geäußert. Ich mag ihn nicht sonderlich.«
»Wer tut das schon ...«
»Aber er ist zumindest einer jener Diener, die ihre Launen und ihre Vorhaben offen zu erkennen geben. Man weiß, dass ihm nicht zu trauen ist. Im Gegensatz zu anderen.«
»Wie Lirla zum Beispiel?«
»Ich habe keine Meinung zu Lirla«, sagte Aramie, ohne die Miene zu verziehen. »Sie ist die Syndicatin. Sie verfügt über uns Dienerinnen. Es ist ihr gutes Recht, mit uns zu tun, was auch immer sie möchte.«
»Ist das wirklich deine Meinung?«
»Ja.«
Zoe fühlte mit einem Mal die Kälte in diesem Raum. Eben noch hatte sie geglaubt, in Aramie eine Verbündete gefunden zu haben, die bei einer Flucht hilfreich sein könnte. Doch der dürren Frau war nicht zu trauen. Sie war zu schwach. Zu willfährig. Ein strenges Wort von Lirla, und sie würde kuschen. Nun - immerhin hatte sie ein wenig mehr Licht in die wahren Verhältnisse im Palast Kariëm gebracht.
»Was hat es mit diesen Viechern auf sich?«, fragte Zoe und deutete auf die Reste der Riesenschabe.
»Sie siedeln hier. Sie tauchen immer wieder auf, gleichgültig, was wir gegen sie unternehmen. Man sagt, dass sie Teil eines Fluchs der ersten Gesandten seien.«
»Allmählich habe ich genug von Flüchen, Prophezeiungen und sagenhaften Gestalten, die hier umherkreuchen.«
»Du kannst ihnen nicht entkommen. Nicht im Land Innistìr und schon gar nicht in der Stadt Dar Anuin.« Aramie stand auf, beugte den Kopf und kniete sich dann auf den bloßen Steinboden. »Du solltest mich nun bestrafen, Gesandte.«
» Wie bitte? Ich denke gar nicht daran!«
»Du wirst es tun müssen. Andernfalls wird mich Lirla ihren Zorn umso mehr spüren lassen.«
»Ich werde ... werde ...«
»Ich bitte dich darum, Herrin.« Aramie beugte ihren Kopf so weit, dass ihre Stirn beinahe den Boden berührte. »Außerdem weiß ich, dass es dir guttun wird.«
»Du spinnst!«
»Es gibt Zauber, so fein gewirkt, dass man sie kaum spürt. Sie wehen durch den Frauentrakt des Palastes, und sie sind einzig und allein dafür ersonnen, dich im Sinne der Priester zu formen. Einer von ihnen bewirkt, dass es dich erregen wird, anderen Schmerz zuzufügen.«
»Niemals!«
»Du kannst dem nicht entkommen, Gesandte.«
»Aber warum?« Zoe schüttelte den Kopf. »Das ergibt keinen Sinn!«
»Nach dem Moment der Erregung kommt das Gefühl der Schande und der Reue. Das Wissen, dass du zu schwach bist, um dem Wirken der Priester ausreichend Widerstand entgegenzubringen. Du wirst zerknirscht sein. Weinen. Leiden. Schwächer werden. Dein Widerstand wird immer weiter bröckeln. So lange, bis dir gleichgültig ist, was rings um dich geschieht.«
»Da haben mich die Priester aber gehörig unterschätzt.«
»Ich diente bislang unter zwölf Frauen, die das Blaue Mal trugen. Alle sagten sie dieselben oder ähnliche Worte wie du. Keine von ihnen konnte den Zaubern widerstehen. Und nun bitte ich dich, die Strafe an mir zu vollziehen.«
»Ich kann nicht!«
»Du musst! Du machst dir
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